Als SALÒ im Sommer letzten Jahres auf der Bildfläche der in dieser Form noch überschaubaren deutschen Post-Punk-Szene erschien, durfte ich eher zufällig Zeugin einer seiner Auftritte werden, der im Rahmen eines Edwin Rosen-Konzertes im Wiesbadener Kesselhaus stattfand.
Und ich gebe zu: Ich war schockverliebt.
Geschockt, ausschließlich positiv, von dem unerwarteten Spektakel, das sich auf der Bühne abspielte. Wer schonmal in den Genuss kam, SALÒ, bürgerlich Andreas Binder, live zu erleben (und erleben ist hierbei definitiv der treffende Begriff) weiß, wovon ich spreche. Die Bewegungen des 31-jährigen Österreichers auf der Bühne erinnern an eine punkige Version von Mick Jagger, aber irgendwie doch ganz eigenständig.
Und ganz schön verliebt in die Musik. Lieder über das Leben, Leiden und die Liebe. Roh, authentisch, energiegeladen. Und doch unglaublich melodisch. Die Texte gefühlvoll und dabei in Sarkasmus und Wortwitz kaum zu übertreffen.
Die Zeiten, in denen SALÒ „nur“ als Begleitung anderer Künstler:innen auftritt, sind mittlerweile vorbei. Nach seiner fast ausverkauften „2. Kassa, bitte!“-Tour steht schon die 2. Headliner-Tour an: „120 Jahre Einsamkeit“. Aktuell findet man ihn auf Festivals in ganz Deutschland, Österreich und der Schweiz.
Um das Tourleben ging es bei unserem Gespräch beim Youth Culture Festival genauso wie um sein neues Album „Subjektiv Betrachtet“, musikalische Einflüsse und perfekten Imperfektionismus.
Na, wie geht es dir hier auf dem Youth Culture Festival?
Super, die Stimmung ist ausgelassen, es ist unglaublich. Es ist, glaube ich, das coolste Festival, auf dem ich im Sommer war. Hier brennt echt die Hütte. Nur leider hatten wir bis jetzt schlechtes Wetter. Aber es ist vorbei und wir sind jetzt mit dem besten Wetter gesegnet. Es kann nur geil werden. (Lacht)
Genau rechtzeitig zu deinem Auftritt! Wie würdest du denn deinen Musikstil beschreiben?
Ich mach´ so deutschsprachige Musik mit Einschlag Punk. Und nicht Neue Neue Deutsche Welle.
Nicht Neue Neue Deutsche Welle? Wieso?
Ich find das ist ein doofer Begriff.
Wieso?
Was soll das heißen, Neue Neue Deutsche Welle?
Ich will Musik machen, die für sich steht.
Und ich glaube, ich versuche mich so gut wie möglich soundtechnisch davon abzugrenzen.
Wann hast du damit begonnen, Musik zu machen?
Das erste Mal glaube ich mit 16 mit meinem jetzigen Produzenten, der war damals der Gitarrist. Das Projekt jetzt gibt es seit 2019, kurz vor Corona, da fing es an, cool zu werden. Dann war eben Corona, da war kurz Pause, und seitdem ging es eigentlich weiter.
Hättest du damals schon damit gerechnet, irgendwann so große Wellen zu schlagen?
Ja, tatsächlich. Ich hab das alles manifestiert und mir ausgemalt. Und dieser Plan trägt Früchte. Es wird immer besser.
Welche Künstler:innen und musikalische Strömungen haben dich in deinem musikalischen Werdegang beeinflusst?
(Überlegt) In erster Linie wahrscheinlich Nina Hagen. Ich höre immer viele Vergleiche. Ich glaube wirklich, dass sie stimmlich und gesangstechnisch unterbewusst meine größte Inspiration ist, denn ich fake nichts. Und textlich sind meine größten Idole Element of Crime. Das ist so das Nonplusultra, finde ich.
Im Mai diesen Jahren war Release deines Albums „Subjektiv betrachtet“ – und ich muss sagen, über deine Texte gibst du auch einen sehr subjektiven, persönlichen Einblick in deine Gedankenwelt, wenn auch oft sehr metaphorisch und humorvoll verpackt. Gerade deine Rhetorik beeindruckt mich total, oft wirken die Texte banal, aber beim zweiten Hören erkennt man eine tiefe persönliche Ebene. Wie kann ich mir den Prozess von deinem Textschreiben vorstellen? Woher nimmst du deine Ideen?
Die kommen automatisch. Oft fallen mir so in Gesprächen oder Alltagssituationen gewisse Lines ein, die schreibe ich dann auf. Und manchmal fügen sich dann aus diesen unendlichen iPhone-Notes Texte zusammen. Das dauert manchmal ewig lang. Jetzt häng´ ich gerade ein bisschen. Für das neue Album, das bald kommt, will ich irgendwie ein bisschen was anderes machen, ich kann nicht nur über Arbeitslosigkeit singen und über prekäre Situationen, denn ich lebe nicht mehr prekär.
Wie lebst du denn?
Mir gehts gut! Passt alles, läuft alles.
Schön!
Ja, voll. Ist halt schwierig, ich bin ja kein Rapper wie Haftbefehl, der noch immer vom Drogenverticken rappt, obwohl er ein Kind hat. Das war halt damals.
Ich könnte natürlich ewig der Vergangenheit nachhängen, aber wer will das schon. Man will ja voranschreiten, auch musikalisch und lyrisch.
Du hast selbst gesagt, dass deine Texte zunehmend persönlicher werden, du gehst weg vom lyrischen Ich, erzählst aus deiner eigenen Perspektive. Wie kam dieser Wandel?
Meine erste Platte „Tränen zu Wein“ war sehr persönlich. Zu persönlich vielleicht. Rabatt war irgendwie lustiger, hat so ein bisschen das Arbeits- und Konsumthema aufgegriffen. „Subjektiv Betrachtet“ ist schon auch unterm lyrischen Ich, man kann nicht alles auf die Goldwaage legen. Jetzt würde ich gerne wieder lustige Geschichten erzählen, typisch Deutschpunk halt. Ich versuche Storys zu finden, die eine Allgemeingültigkeit haben.
Du meintest eben, „Tränen zu Wein“ wäre vielleicht zu persönlich gewesen. Wie meinst du das?
Ich hab das Projekt während einem Breakup begonnen, und das ist schon ziemlich mit reingeflossen. Vor allem bei den Texten „Blaue Flecken“ und „Tränen zu Wein“. Das waren so diese signifikanten Lieder.
Ist als Hörer:in ja trotzdem auch schön, so persönliche und vor allem authentische Texte zu hören und bestimmte Gefühle teilen zu können. Inwiefern spielt es für dich eine Rolle, dass sich Leute mit deinen Texten identifizieren können?
Das habe ich nicht vor, aber das passiert. Viele Leute reden und schreiben mich dahingehend an. Das macht mich schon glücklich. Aber bewusst ist es nicht.
Nochmal zurück zum Genre. Du meintest ja eben schon, du hast keine Lust drauf, alte Sachen aufzumischen, aber es gibt nunmal immer mehr Künstler:innen, die wieder in Richtung New Wave beziehungsweise Post-Punk gehen, wie beispielsweise Edwin Rosen oder Urbannino, mit dem du ja auch ein paar Features hast. Wie erklärst du dir dieses Comeback?
Jede Generation hat so ihr Comeback. Das siehst du bei den Klamotten, es trägt keiner mehr 80s oder 90s Klamotten, eher so 2000er. Ich glaube, es ist immer ein bisschen das, was man als Kind mitbekommt, das ist so meine Theorie.
Ich finde, diese Entwicklung bezieht sich nicht nur auf die Musik und Mode, sondern auch auf eine allgemeine Lebenseinstellung, durch die sich so eine Nostalgie und Melancholie hindurchzieht. Das sieht man ja schon an so banalen Sachen wie zum Beispiel die Verwendung von Kabelmikrofonen, was ja eigentlich nicht mehr nötig wäre.
Ja, genau. Nostalgie spielt ´ne große Rolle. Ich liebe Kabelmikrofone!
Man fühlt sich dadurch irgendwie in eine frühere Zeit zurückversetzt, finde ich. Wie siehst du das und welche Rolle spielt diese Sehnsucht nach früher für dich?
Gar keine tatsächlich. Ich hab lustigerweise nie Neue Deutsche Welle gehört, das hat sich mir erst später erschlossen, als ich auf zufälligem Wege durch meine eigene Musik drauf gestoßen bin. Ich komme aus einem anderen Background, ich komm´ aus dem Hardcore, Hardcore Punk, Metal, Metalcore, früher in den 2010ern.
Und eher so aufs Lebensgefühl bezogen?
Das ist halt ein Gefühl, das kann es nicht mehr geben, das war eine andere Zeit. Du kannst nicht die gleichen Geschichten erzählen wie damals, außer es sind allgemeingültige Sachen.
Siehst du dich als Rebell?
Joa, die Rebellion machen eher so die ganzen Gabber-Kids. Ich seh´ mich nicht mehr als Rebell. Da bin ich zu alt für. Ich mach´ einfach mein Ding.
Ein großer Teil der New Wave oder Post-Punk oder Neue Neue Deutsche Welle Bewegung – wie auch immer man es nennen mag – ist ja der Hang zum Imperfektionismus. Allerdings habe ich schon mehrmals gelesen beziehungsweise gesehen, dass du selbst ziemlich perfektionistisch bist, wenn es um deine Musik geht. Wie funktioniert es, perfektionistisch imperfektionistisch sein?
Es gibt Imperfektionismus, der sich gut anhört, und welcher, der sich laienhaft anhört.
Das ist das gleiche wie mit den ganzen Trash-Klamotten oder Trash-Tattoos.
Da ist irgendwie etwas Ungreifbares, das es, egal wie trashig es ist, trotzdem zu einer gewissen Form von Kunst macht.
Ja, ergibt voll Sinn. Mal zu deinem aktuellen Leben – schon während deiner „2. Kassa, bitte“-Tour konnte man Tickets für die „120 Jahre Einsamkeit“-Tour kaufen, jetzt bist du auf super vielen Festivals unterwegs. Wie anstrengend ist das Tourleben?
Es ist schon anstrengend. Aber mit der Band macht es mehr Spaß als alleine. Das sind echt sehr sehr gute bis beste Freunde, mit denen ich unterwegs bin. Es ist mega aufregend und lustig, immer witzig. Und insofern könnte ich das jeden Tag machen.
Vor zwei Wochen bist du auch auf der Fusion aufgetreten, ich vermute mal, dass das einer deiner größten Gigs bis jetzt war. Der Hangar war ja auch komplett voll und schon 15 Minuten vor Beginn konnte niemand mehr rein. Wie hat sich das für dich angefühlt?
Von der Menschenmenge her war es, glaube ich, nicht der größte Gig, aber vom Andrang wahrscheinlich. War ein geiles Gefühl. Man ist immer überrascht, wenn bei Festivals mit einem riesengroßen Nebenangebot – und Fusion, größer gehts eigentlich nicht – trotzdem so viele Leute zu dir kommen und sich das anhören. Das ist ein schönes Gefühl. Die haben auch alle super mitgesungen, sogar beim Soundcheck schon. Ja, war schon geil. Das hat uns allen sehr gefallen.
Du hast vorhin schon kurz angesprochen, dass ein neues Album in Planung ist?
Genau, wenn die Festivals vorbei sind, werden wir einen ganzen Monat mit der Band ein Album schreiben. Das erste Mal nicht nur mit meinem Produzenten Mathias Garmisch, sondern auch mit der Band. Das hat sich vorher noch nie ergeben. Wir haben extrem viele unterschiedliche, aber sich trotzdem in einem gewissen Punkt treffende Einflüsse. Und ich freu mich richtig, das wird richtig geil. Das heißt, es könnte sich ein neuer Sound anbahnen …
Ich bin gespannt! Beim Einerseits haben wir das Konzept, dass wir von der zuletzt interviewten Person eine Frage mitbringen. Du darfst heute die Frage von Leon Ebeling beantworten: Was ist deine Lieblingsmahlzeit?
Kebab. Ich esse das gerade nicht, aber wenn ich alles Ethische vergesse und nur nach Geschmack gehe, gibt es auf der ganzen Welt nichts Besseres als guten Döner aus Graz!
Wer SALÒ gerne selbst live erleben möchte, kann das im Rahmen der “120 Jahre Einsamkeit”-Tour am 12.11. im Schlachthof in Wiesbaden tun. Tickets gibt es hier.
Als SALÒ im Sommer letzten Jahres auf der Bildfläche der in dieser Form noch überschaubaren deutschen Post-Punk-Szene erschien, durfte ich eher zufällig Zeugin einer seiner Auftritte werden, der im Rahmen eines Edwin Rosen-Konzertes im Wiesbadener Kesselhaus stattfand.
Und ich gebe zu: Ich war schockverliebt.
Geschockt, ausschließlich positiv, von dem unerwarteten Spektakel, das sich auf der Bühne abspielte. Wer schonmal in den Genuss kam, SALÒ, bürgerlich Andreas Binder, live zu erleben (und erleben ist hierbei definitiv der treffende Begriff) weiß, wovon ich spreche. Die Bewegungen des 31-jährigen Österreichers auf der Bühne erinnern an eine punkige Version von Mick Jagger, aber irgendwie doch ganz eigenständig.
Und ganz schön verliebt in die Musik. Lieder über das Leben, Leiden und die Liebe. Roh, authentisch, energiegeladen. Und doch unglaublich melodisch. Die Texte gefühlvoll und dabei in Sarkasmus und Wortwitz kaum zu übertreffen.
Die Zeiten, in denen SALÒ „nur“ als Begleitung anderer Künstler:innen auftritt, sind mittlerweile vorbei. Nach seiner fast ausverkauften „2. Kassa, bitte!“-Tour steht schon die 2. Headliner-Tour an: „120 Jahre Einsamkeit“. Aktuell findet man ihn auf Festivals in ganz Deutschland, Österreich und der Schweiz.
Um das Tourleben ging es bei unserem Gespräch beim Youth Culture Festival genauso wie um sein neues Album „Subjektiv Betrachtet“, musikalische Einflüsse und perfekten Imperfektionismus.
Na, wie geht es dir hier auf dem Youth Culture Festival?
Super, die Stimmung ist ausgelassen, es ist unglaublich. Es ist, glaube ich, das coolste Festival, auf dem ich im Sommer war. Hier brennt echt die Hütte. Nur leider hatten wir bis jetzt schlechtes Wetter. Aber es ist vorbei und wir sind jetzt mit dem besten Wetter gesegnet. Es kann nur geil werden. (Lacht)
Genau rechtzeitig zu deinem Auftritt! Wie würdest du denn deinen Musikstil beschreiben?
Ich mach´ so deutschsprachige Musik mit Einschlag Punk. Und nicht Neue Neue Deutsche Welle.
Nicht Neue Neue Deutsche Welle? Wieso?
Ich find das ist ein doofer Begriff.
Wieso?
Was soll das heißen, Neue Neue Deutsche Welle?
Ich will Musik machen, die für sich steht.
Und ich glaube, ich versuche mich so gut wie möglich soundtechnisch davon abzugrenzen.
Wann hast du damit begonnen, Musik zu machen?
Das erste Mal glaube ich mit 16 mit meinem jetzigen Produzenten, der war damals der Gitarrist. Das Projekt jetzt gibt es seit 2019, kurz vor Corona, da fing es an, cool zu werden. Dann war eben Corona, da war kurz Pause, und seitdem ging es eigentlich weiter.
Hättest du damals schon damit gerechnet, irgendwann so große Wellen zu schlagen?
Ja, tatsächlich. Ich hab das alles manifestiert und mir ausgemalt. Und dieser Plan trägt Früchte. Es wird immer besser.
Welche Künstler:innen und musikalische Strömungen haben dich in deinem musikalischen Werdegang beeinflusst?
(Überlegt) In erster Linie wahrscheinlich Nina Hagen. Ich höre immer viele Vergleiche. Ich glaube wirklich, dass sie stimmlich und gesangstechnisch unterbewusst meine größte Inspiration ist, denn ich fake nichts. Und textlich sind meine größten Idole Element of Crime. Das ist so das Nonplusultra, finde ich.
Im Mai diesen Jahren war Release deines Albums „Subjektiv betrachtet“ – und ich muss sagen, über deine Texte gibst du auch einen sehr subjektiven, persönlichen Einblick in deine Gedankenwelt, wenn auch oft sehr metaphorisch und humorvoll verpackt. Gerade deine Rhetorik beeindruckt mich total, oft wirken die Texte banal, aber beim zweiten Hören erkennt man eine tiefe persönliche Ebene. Wie kann ich mir den Prozess von deinem Textschreiben vorstellen? Woher nimmst du deine Ideen?
Die kommen automatisch. Oft fallen mir so in Gesprächen oder Alltagssituationen gewisse Lines ein, die schreibe ich dann auf. Und manchmal fügen sich dann aus diesen unendlichen iPhone-Notes Texte zusammen. Das dauert manchmal ewig lang. Jetzt häng´ ich gerade ein bisschen. Für das neue Album, das bald kommt, will ich irgendwie ein bisschen was anderes machen, ich kann nicht nur über Arbeitslosigkeit singen und über prekäre Situationen, denn ich lebe nicht mehr prekär.
Wie lebst du denn?
Mir gehts gut! Passt alles, läuft alles.
Schön!
Ja, voll. Ist halt schwierig, ich bin ja kein Rapper wie Haftbefehl, der noch immer vom Drogenverticken rappt, obwohl er ein Kind hat. Das war halt damals.
Ich könnte natürlich ewig der Vergangenheit nachhängen, aber wer will das schon. Man will ja voranschreiten, auch musikalisch und lyrisch.
Du hast selbst gesagt, dass deine Texte zunehmend persönlicher werden, du gehst weg vom lyrischen Ich, erzählst aus deiner eigenen Perspektive. Wie kam dieser Wandel?
Meine erste Platte „Tränen zu Wein“ war sehr persönlich. Zu persönlich vielleicht. Rabatt war irgendwie lustiger, hat so ein bisschen das Arbeits- und Konsumthema aufgegriffen. „Subjektiv Betrachtet“ ist schon auch unterm lyrischen Ich, man kann nicht alles auf die Goldwaage legen. Jetzt würde ich gerne wieder lustige Geschichten erzählen, typisch Deutschpunk halt. Ich versuche Storys zu finden, die eine Allgemeingültigkeit haben.
Du meintest eben, „Tränen zu Wein“ wäre vielleicht zu persönlich gewesen. Wie meinst du das?
Ich hab das Projekt während einem Breakup begonnen, und das ist schon ziemlich mit reingeflossen. Vor allem bei den Texten „Blaue Flecken“ und „Tränen zu Wein“. Das waren so diese signifikanten Lieder.
Ist als Hörer:in ja trotzdem auch schön, so persönliche und vor allem authentische Texte zu hören und bestimmte Gefühle teilen zu können. Inwiefern spielt es für dich eine Rolle, dass sich Leute mit deinen Texten identifizieren können?
Das habe ich nicht vor, aber das passiert. Viele Leute reden und schreiben mich dahingehend an. Das macht mich schon glücklich. Aber bewusst ist es nicht.
Nochmal zurück zum Genre. Du meintest ja eben schon, du hast keine Lust drauf, alte Sachen aufzumischen, aber es gibt nunmal immer mehr Künstler:innen, die wieder in Richtung New Wave beziehungsweise Post-Punk gehen, wie beispielsweise Edwin Rosen oder Urbannino, mit dem du ja auch ein paar Features hast. Wie erklärst du dir dieses Comeback?
Jede Generation hat so ihr Comeback. Das siehst du bei den Klamotten, es trägt keiner mehr 80s oder 90s Klamotten, eher so 2000er. Ich glaube, es ist immer ein bisschen das, was man als Kind mitbekommt, das ist so meine Theorie.
Ich finde, diese Entwicklung bezieht sich nicht nur auf die Musik und Mode, sondern auch auf eine allgemeine Lebenseinstellung, durch die sich so eine Nostalgie und Melancholie hindurchzieht. Das sieht man ja schon an so banalen Sachen wie zum Beispiel die Verwendung von Kabelmikrofonen, was ja eigentlich nicht mehr nötig wäre.
Ja, genau. Nostalgie spielt ´ne große Rolle. Ich liebe Kabelmikrofone!
Man fühlt sich dadurch irgendwie in eine frühere Zeit zurückversetzt, finde ich. Wie siehst du das und welche Rolle spielt diese Sehnsucht nach früher für dich?
Gar keine tatsächlich. Ich hab lustigerweise nie Neue Deutsche Welle gehört, das hat sich mir erst später erschlossen, als ich auf zufälligem Wege durch meine eigene Musik drauf gestoßen bin. Ich komme aus einem anderen Background, ich komm´ aus dem Hardcore, Hardcore Punk, Metal, Metalcore, früher in den 2010ern.
Und eher so aufs Lebensgefühl bezogen?
Das ist halt ein Gefühl, das kann es nicht mehr geben, das war eine andere Zeit. Du kannst nicht die gleichen Geschichten erzählen wie damals, außer es sind allgemeingültige Sachen.
Siehst du dich als Rebell?
Joa, die Rebellion machen eher so die ganzen Gabber-Kids. Ich seh´ mich nicht mehr als Rebell. Da bin ich zu alt für. Ich mach´ einfach mein Ding.
Ein großer Teil der New Wave oder Post-Punk oder Neue Neue Deutsche Welle Bewegung – wie auch immer man es nennen mag – ist ja der Hang zum Imperfektionismus. Allerdings habe ich schon mehrmals gelesen beziehungsweise gesehen, dass du selbst ziemlich perfektionistisch bist, wenn es um deine Musik geht. Wie funktioniert es, perfektionistisch imperfektionistisch sein?
Es gibt Imperfektionismus, der sich gut anhört, und welcher, der sich laienhaft anhört.
Das ist das gleiche wie mit den ganzen Trash-Klamotten oder Trash-Tattoos.
Da ist irgendwie etwas Ungreifbares, das es, egal wie trashig es ist, trotzdem zu einer gewissen Form von Kunst macht.
Ja, ergibt voll Sinn. Mal zu deinem aktuellen Leben – schon während deiner „2. Kassa, bitte“-Tour konnte man Tickets für die „120 Jahre Einsamkeit“-Tour kaufen, jetzt bist du auf super vielen Festivals unterwegs. Wie anstrengend ist das Tourleben?
Es ist schon anstrengend. Aber mit der Band macht es mehr Spaß als alleine. Das sind echt sehr sehr gute bis beste Freunde, mit denen ich unterwegs bin. Es ist mega aufregend und lustig, immer witzig. Und insofern könnte ich das jeden Tag machen.
Vor zwei Wochen bist du auch auf der Fusion aufgetreten, ich vermute mal, dass das einer deiner größten Gigs bis jetzt war. Der Hangar war ja auch komplett voll und schon 15 Minuten vor Beginn konnte niemand mehr rein. Wie hat sich das für dich angefühlt?
Von der Menschenmenge her war es, glaube ich, nicht der größte Gig, aber vom Andrang wahrscheinlich. War ein geiles Gefühl. Man ist immer überrascht, wenn bei Festivals mit einem riesengroßen Nebenangebot – und Fusion, größer gehts eigentlich nicht – trotzdem so viele Leute zu dir kommen und sich das anhören. Das ist ein schönes Gefühl. Die haben auch alle super mitgesungen, sogar beim Soundcheck schon. Ja, war schon geil. Das hat uns allen sehr gefallen.
Du hast vorhin schon kurz angesprochen, dass ein neues Album in Planung ist?
Genau, wenn die Festivals vorbei sind, werden wir einen ganzen Monat mit der Band ein Album schreiben. Das erste Mal nicht nur mit meinem Produzenten Mathias Garmisch, sondern auch mit der Band. Das hat sich vorher noch nie ergeben. Wir haben extrem viele unterschiedliche, aber sich trotzdem in einem gewissen Punkt treffende Einflüsse. Und ich freu mich richtig, das wird richtig geil. Das heißt, es könnte sich ein neuer Sound anbahnen …
Ich bin gespannt! Beim Einerseits haben wir das Konzept, dass wir von der zuletzt interviewten Person eine Frage mitbringen. Du darfst heute die Frage von Leon Ebeling beantworten: Was ist deine Lieblingsmahlzeit?
Kebab. Ich esse das gerade nicht, aber wenn ich alles Ethische vergesse und nur nach Geschmack gehe, gibt es auf der ganzen Welt nichts Besseres als guten Döner aus Graz!
Wer SALÒ gerne selbst live erleben möchte, kann das im Rahmen der “120 Jahre Einsamkeit”-Tour am 12.11. im Schlachthof in Wiesbaden tun. Tickets gibt es hier.