Ein Sound, der gehört gehört

Fotos:
No items found.

Ein Sound, der gehört gehört 

BICHI IM INTERVIEW

Ende Dezember 2023. Draußen ist es nass und kalt. Während die Laune vieler Menschen derzeit unter den kurzen Dezember-Tagen und den wenigen Sonnenstunden leidet, stürmt David in den Raum und man hat den Eindruck, seiner Energie hat der Winter noch lange keinen Abbruch getan. Der 22-Jährige gebürtige Kölner (eigentlich kommt er aus Wesseling, das liegt nah an Köln) ist angehender DJ. Seinen Sound beschreibt er als energetischen, vorantreibenden Hardgroove, gemischt mit anderen Genres und unterfüttert mit Old School-Komponenten und Vocals. David erfüllt den Raum mit seiner Präsenz und ich gewinne schnell den Eindruck, er hat Lust auf mehr. Noch viel mehr. 

Foto Credit: privat

Früher war Davids DJ alias „HVKE“, wegen seines Nachnamens „Hake“, doch das hat sich für ihn nicht richtig angefühlt, irgendwie nicht wie er selbst. Bichi heißt er jetzt, und Bichi ist für ihn nicht nur sein DJ-Alias, sondern bedeutet auch ein Stück Kindheit. 

„Irgendwann dacht’ ich mir so: Ey was wär’ schön ins Auflegen mit reinzubringen, was ein Teil von mir ist? Und dann hab ich das genommen, was sowieso schon immer ein Teil von mir war, und zwar meine Kindheit“. 

Auf die Frage, was es mit Bichi auf sich hat, erklärt er mir, dass „Bichi“ der Kosename seiner Mama ist. Sie kommt aus einem kleinen Dorf in Mexiko und dort ist „Bichi“ ein Slang für „kleine Ratte/ kleines Tier“. David ist es wichtig, Kindheitsgefühle und was es bedeutet, Kind zu sein, in seine Mucke zu packen. Eine Art Leichtigkeit, „das einfache Leben“ zu transportieren. Er betont, dass das nicht bedeutet, dass jede:r eine einfache Kindheit hatte, aber dass er glaubt, dass jede:r etwas hat, was ihn oder sie ans Kind-sein erinnert. Und für David ist das der Name Bichi. 

Foto Credit: privat

„Deswegen auch diese Bilder, die ich immer mit den Sets male. Von Pettersson und Findus. Asterix und Obelix. Der kleine Prinz. Das sind alles Dinge, die ich auch heute noch höre und cool finde, weil dort Botschaften vermittelt werden, die glaube ich auch für einen Erwachsenen noch gelten. Die sollen dich ja so aufs Leben vorbereiten; dass das Leben nicht so schwer wiegt, wie es manchmal scheint.“ David spielt hier auf seine SoundCloud-Sets an; das Artwork ist immer ein Bild von einer Kinderserie oder einem Kinderfilm. 

Mich interessiert, ob es einen entscheidenden Moment gab, der David zum Auflegen motiviert hat, à la „okay, jetzt hab’ ich Bock aufzulegen“. Er erklärt mir, dass er schon immer gerne Musik gehört hat, vor allem House und Rap. Ein entscheidender Moment war dann allerdings ein Griechenland-Urlaub letztes Jahr. Er war mit einem Kumpel bei einem Produzenten, der gegenüber gewohnt hat. Der meinte zu ihm, er solle es einfach mal machen und ausprobieren. „Das hat mich dann inspiriert“, erklärt mir David stolz. „Zeitgleich gab es dort so einen Rave in einem alten Museum“, erzählt er. „Als ich dort auf die Party kam, hat es mich einfach umgehauen. Riesige Boxen, vermummter DJ und die Leute, die einfach nur den Moment und die Musik gefühlt und gegenseitig aufeinander aufgepasst haben. Da hab’ ich zum ersten Mal dieses Freiheitsgefühl kennengelernt, was die Leute dort hatten. Das war das erste Mal, dass ich einen Rave erlebt hab’. Das hat mich so inspiriert, dass ich gedacht hab’: Ich will auch Musik machen und Leute mit meiner Musik so begeistern wie diese Leute und ich dort begeistert worden sind.“ 

Foto Credit: htnh.de

Ich bin verblüfft, dass David erst vor so kurzer Zeit mit dem Auflegen in Berührung kam. Auf einigen Veranstaltungen im Rhein-Main-Gebiet konnte man dem Namen „Bichi“ schon begegnen. Auch bei Motion Events, einer Agency und einem etablierten Kollektiv des Rhein-Main-Gebiets, hat er schon des Öfteren aufgelegt. Ich frage mich, wie sich sein Stil in so kurzer Zeit entwickelt und ob er sich vielleicht auch schon verändert hat. 

„Skills kann man natürlich immer weiter ausbauen“, erklärt er mir. „Ich stehe ja noch ganz am Anfang. Aber es gab so Scheidepunkte in meinem Leben, die mich dorthin gebracht haben, wo ich jetzt bin. Letztes Jahr hab’ ich mir ein Mischpult zugelegt. Den ersten Kontakt mit Musik hatte ich dann mit dieser Tech-Szene, also Melodic-Tech, Tech House etc. Da hab ich so ein bisschen meinen Stil gespielt, es hatte da aber noch keinen richtigen Plan, also wo ich hätte sagen können, das bin ich. Dann gab es eine Freundin, die an mich geglaubt hat. Sie hat ein Kollektiv gegründet und mir gesagt, dass sie meine Musik feiert. Wir haben uns durch Musik connected, was für mich so mit das Schönste an Musik ist. Ich hab’ dann für das Kollektiv gespielt, paar Freund:innen aus Mainz waren da, paar Freund:innen aus der Heimat. So bin ich das erste Mal ans Auflegen gekommen und habe dann echt gute Resonanz von den Leuten bekommen. Das Melodische war mir wichtig. Und das ist mir mittlerweile auch beim Groove, den ich spiele, sehr wichtig, dass es melodisch ist, energetisch und dass es antreibt. Dann wurde ich immer mal wieder gefragt und habe Leute kennengelernt, die gesagt haben, sie würden mir gerne eine Bühne bieten. Anfang 2023 hab’ ich zu meinem Stil und zum Groove gefunden. Dann bin ich an die Motion-Leute gekommen. Die haben mich dann quasi so auf die Schultern genommen, wofür ich sehr dankbar bin“. 

Foto Credit: @alexandru_dunose

David hatte verschiedene Inspirationen, die ihn zum (Hard-)Groove gebracht haben. Anfangs hat er sehr melodisch gespielt, in Richtung Trance, erklärt er mir. Leute wie Narciss, ein Berliner DJ und Produzent, haben ihn gecatcht, was Gefühle angeht. Zum selbst Feiern habe ihm aber etwas gefehlt, was „Bounciges“, wie er es beschreibt. „Ich hab’ auf Soundcloud Mucke gesucht und mich dann so ein bisschen in diesem Groove verloren. Meine Inspirationen haben sich trotzdem nie geändert, also Butschi und Upper90 zum Beispiel. Die machen ja vor allem sehr melodischen Trance, aber die packen mich emotional. Und das versuche ich auf den Groove zu übertragen. Das ist für mich das, was ich am liebsten auflege. Da fühl’ ich mich am sichersten und es macht mir Spaß. Ich versuche das auch zu kombinieren mit anderen Genres, aber das ist so das, wo ich mich gefunden hab’ und wo mir die Musik richtig gefällt“.

Am meisten schätzt der 22-Jährige am Auflegen, dass er Freund:innen und Menschen, die davor stehen, vielleicht ein Lächeln ins Gesicht zaubern und ihnen eine schöne Zeit bereiten kann. Im Vordergrund sollte zwar die Musik stehen, wie er findet; aber am meisten geben ihm die schönen Momente, die er Menschen und damit auch sich selbst bietet. „Es ist schön, Menschen eine Freude zu bereiten und das hab’ ich dadurch so ein bisschen für mich entdeckt. Am Anfang war das Auflegen purer Stress, es hat mich überfordert und ich konnte selbst nicht so viel Spaß haben. Man muss da reinwachsen, aber wenn man das dann hat, kann man die Leute catchen und mitnehmen.“ Ich muss schmunzeln, denn genau den Eindruck habe ich, wenn ich Sets von David zuhöre. Oft schaut er einen mit großen Augen an, um abzuchecken, ob man es gerade genauso fühlt wie er. Die Freude darüber ist unbezahlbar.

Für David steht der Spaß der Crowd im Vordergrund. „Das heißt nicht, dass ich meine eigene Musik vernachlässige, weil ich spiel’ halt das, was mir gefällt, aber natürlich macht es viel mehr Spaß zu merken, die Leute feiern was man macht. Und am ehesten ist es, glaube ich, so, dass die Leute feiern, was man macht, wenn sie einen auch kennen und sich für einen freuen; und das hat man als kleiner Künstler oder kleine Künstlerin dann halt überwiegend erst mal durch Freund:innen. Die Reise, die man mit den Leuten erlebt, die Menschen, die man kennenlernt; das ist das Schöne beim Auflegen, und natürlich die Musik an sich. Musik ohne Menschen ist nichts und Menschen ohne Musik sind nichts. Es ist Dualismus“, erklärt er mir. Quasi ein Geben und ein Nehmen.

Foto Credit: privat

„Manchmal ist es auch der Fall, dass durch die Interaktion an diesem Abend eine Energie oder ein spiritueller Zustand entsteht; man feiert und genießt es zusammen. Das ist so mein Anspruch. Musik zu schaffen, die Momente schafft. Ich erinnere mich an ein Event, wo Narciss aufgelegt hat; da hat mich die Musik und die Art, wie er aufgelegt hat, so gecatcht, dass das mit Abstand das schönste Mal Feiern für mich war. Er hat einen Moment geschaffen, der für mich nicht nur ein Moment, sondern eine unfassbar schöne Erinnerung war“.

Ich wollte mit David noch über einen persönlichen Eindruck von mir sprechen. Mich interessiert, ob er diesen auch teilt und falls ja, wie er dazu steht. Ich habe das Gefühl, dass besonders Trance sich gerade sehr zum Mainstream entwickelt; bei Techno und besonders Hardtechno ist das nach meinem Empfinden schon länger so. Ich möchte wissen, ob David darin etwas Positives und/oder Negatives sieht und wie man es da als DJ schafft, sich treu zu bleiben.

„Also ich denke, dass etwas Mainstream ist, ist ja nicht grundsätzlich positiv oder negativ. Aber wichtig ist halt, dass der Geist von Techno, also dieser Raum, der geschaffen wird, für alle Menschen noch erreichbar ist; und dass alle sich wohlfühlen. Ich hab’ irgendwie das Gefühl, dass wenn Genres extrem gehyped sind, dass die Gefahr besteht, dass Leute sich nicht mehr so krass mit der Musik identifizieren und vielleicht nicht mehr bereit sind, diesen Moment zu erleben; weil es nur noch darum geht, gut für die Kamera auszusehen. Alles muss krasser sein. Auf Insta sieht man oft bei den Slides, dass es Drop auf Drop auf Drop geht; es werden immer nur die besten Momente gezeigt. Dadurch steigt natürlich der Anspruch für einen selbst, aber auch für die Menschen. Nach dem Motto „Ein Rave ist kacke, wenn er nicht gut für die Kamera aussieht“. Das muss aber nicht so sein. Musik ist mehr als das. Da muss man sich, glaube ich, ein Selbstbewusstsein schaffen als DJ.“

Foto Credit: @alexandru_dunose

Im weiteren Verlauf des Gesprächs teilt David eine Haltung mit mir, die für ihn essentiell ist. Es gibt diese Peak-Momente, wie er sie nennt, aber auch diese schlechten Momente. Kein Gig und keine Crowd sind gleich. „Da muss man sich dann selbst motivieren und einem muss klar werden, dass man das hier in erster Linie für sich und seine Freunde macht; besonders wenn es mal nicht so läuft, wie man es sich vorstellt. Was dann kommt, ist Zusatz und Bonus. So kann man dann auch seinem Stil treu bleiben“. Es ist eine Reise wie sonst im Leben auch so oft, philosophieren wir.

Am Anfang habe David an Genres viel durchmischt. Das mache er teilweise immer noch, „aber man muss auch sicher in seinem Stil sein. Für mich ist ein kleiner roter Faden wichtig“.

Ich möchte nochmal auf dieses „Instagram-Chic“ eingehen. Damit meine ich das Prestige, das einen Rave mittlerweile umgibt; die Art, wie ein Rave in den sozialen Netzwerken, besonders auf Instagram, dargestellt wird und den homogenen Stil, den sich die „Raver:innen“, bezogen auf Kleidungsstil und Tanzart, angeeignet haben. Ich meine das völlig wertfrei und ich kann mich dem auch selbst nicht entziehen. Außerdem ist das sicherlich eine persönliche Meinung, welche mit noch größerer Sicherheit nicht auf jede:n zutrifft. Die Beobachtung allerdings kann ich mit vielen Menschen, mit denen ich gesprochen habe, teilen. So auch mit Bichi. 

Ich frage ihn: „Wenn ich dich richtig verstanden habe, sagst du, Mainstream kann problematisch werden, wenn es nur noch darum geht, wie der Rave aussieht. Man kann es aber trotzdem schaffen, sich selbst treu zu bleiben und die Leute mitzureißen. Findest du auch was Positives daran, dass Techno seit einiger Zeit diesen Hype erfährt?“

„Ich glaube schon. Dadurch fangen viel mehr Künstler:innen an zu produzieren, es gibt viel mehr Austausch und Kollektive, die es früher nicht gab. Das wurde durch den Hype erst möglich gemacht. Sind wir mal ehrlich, ohne den Hype hätte es auch die Lulu nicht gegeben. Dadurch, dass Techno jetzt etwas ist, das viele Menschen mögen, ist die Musikindustrie darauf aufmerksam geworden und dadurch sind erst Veranstaltungen in riesigen Räumen und in großen Bunkern und so weiter möglich. In dem Ausmaß gab es das ja früher nicht. Mittlerweile hat man die Möglichkeit, jede Woche zu einem riesigen Event zu gehen. Es wurde auch barrierefreier. Jetzt gibt es dieses Nachahmen, aber es gibt eben auch viele neue Räume, viele neue DJs und dadurch unfassbar viel Inspiration. Deswegen finde ich es schade, wenn man nicht sein eigenes Ding macht, weil man so viele Möglichkeiten hat und immer etwas Eigenes beitragen kann. Es ist doch eigentlich schön, seinen eigenen Stil zu präsentieren und nicht, dass alles homogen ist. Ich finde es als Künstler:in sehr wichtig, Musik zu spielen, die unbekannt ist. Man kann sich von großen Künstler:innen inspirieren lassen, aber man hat, finde ich, die Aufgabe, etwas Eigenes zu machen. Ich spiele gerne Tracks, die keiner kennt, weil ich ihnen einen Raum geben möchte. Ich finde, überwiegend Edits zu spielen ist eigentlich kein Kunstgedanke. Man nimmt etwas, das bereits funktioniert hat. Es ist natürlich auch für die Crowd leichter, etwas zu feiern, was bereits gefeiert wird, da würde ich mir aber wünschen, dass Menschen mehr nach links und rechts schauen, vielleicht Künstler:innen supporten, die klein sind.“ 

Foto Credit: @alexandru_dunose

Mir persönlich hat David damit einen ganz neuen Blickwinkel eröffnet. „Sich etwas zu trauen und seine Individualität auszudrücken, würde ich auch als wichtig erachten. Und wäre es da nicht schön, wieder mehr Heterogenität sowohl bei der Crowd als auch bei den DJs zu erleben?“, frage ich ihn.

„Genau. Die Leute trauen sich aber nur etwas, wenn sie auch einen gewissen Support kriegen. Ich hätte mir meinen Stil nie so angeeignet, wie ich es jetzt hab’, wenn meine Freund:innen, besonders bei Motion, mich nicht in dem Maße unterstützen würden, wie sie es tun. Man braucht immer eine gewisse Selbstsicherheit und ich hatte die durch Unterstützung von meinen Freund:innen. Für etwas Neues braucht man immer Mut“.

Ich finde, das ist ein schönes Schlusswort. Eine letzte Frage interessiert mich aber noch. Und zwar die fürs Einerseits typische Frage des zuvor Interviewten. „Silas alias MARMORMETALL fragt, was die Top 3 deiner Lieblingsgerichte ist?“ 

„Am allerliebsten esse ich Lasagne, egal wie, Hauptsache Lasagne“, scherzt er. „Ansonsten Tacos und ich liebe auch Käse-Lauch-Suppe”.

Ich bin begeistert von diesem interessanten Gespräch und danke David für seine Offenheit. Auf seinem weiteren Weg wünsche ich ihm ganz viel Freude und besonders viele weitere Momente, in denen er den Menschen ein Lächeln ins Gesicht zaubern kann. 

Wenn ihr neugierig geworden seid und Bock habt mehr über David zu erfahren, folgt ihm auf Instagram: @bichi.hk oder checkt sein Soundcloud: BICHI

H1

H2

H3

H4

H5
H6
Quote

Bold Text

Paragraph Text

Italic Text

Link

  • test
  • test
  • test
  • test

Fotocredits

Ein Sound, der gehört gehört 

BICHI IM INTERVIEW

Ende Dezember 2023. Draußen ist es nass und kalt. Während die Laune vieler Menschen derzeit unter den kurzen Dezember-Tagen und den wenigen Sonnenstunden leidet, stürmt David in den Raum und man hat den Eindruck, seiner Energie hat der Winter noch lange keinen Abbruch getan. Der 22-Jährige gebürtige Kölner (eigentlich kommt er aus Wesseling, das liegt nah an Köln) ist angehender DJ. Seinen Sound beschreibt er als energetischen, vorantreibenden Hardgroove, gemischt mit anderen Genres und unterfüttert mit Old School-Komponenten und Vocals. David erfüllt den Raum mit seiner Präsenz und ich gewinne schnell den Eindruck, er hat Lust auf mehr. Noch viel mehr. 

Foto Credit: privat

Früher war Davids DJ alias „HVKE“, wegen seines Nachnamens „Hake“, doch das hat sich für ihn nicht richtig angefühlt, irgendwie nicht wie er selbst. Bichi heißt er jetzt, und Bichi ist für ihn nicht nur sein DJ-Alias, sondern bedeutet auch ein Stück Kindheit. 

„Irgendwann dacht’ ich mir so: Ey was wär’ schön ins Auflegen mit reinzubringen, was ein Teil von mir ist? Und dann hab ich das genommen, was sowieso schon immer ein Teil von mir war, und zwar meine Kindheit“. 

Auf die Frage, was es mit Bichi auf sich hat, erklärt er mir, dass „Bichi“ der Kosename seiner Mama ist. Sie kommt aus einem kleinen Dorf in Mexiko und dort ist „Bichi“ ein Slang für „kleine Ratte/ kleines Tier“. David ist es wichtig, Kindheitsgefühle und was es bedeutet, Kind zu sein, in seine Mucke zu packen. Eine Art Leichtigkeit, „das einfache Leben“ zu transportieren. Er betont, dass das nicht bedeutet, dass jede:r eine einfache Kindheit hatte, aber dass er glaubt, dass jede:r etwas hat, was ihn oder sie ans Kind-sein erinnert. Und für David ist das der Name Bichi. 

Foto Credit: privat

„Deswegen auch diese Bilder, die ich immer mit den Sets male. Von Pettersson und Findus. Asterix und Obelix. Der kleine Prinz. Das sind alles Dinge, die ich auch heute noch höre und cool finde, weil dort Botschaften vermittelt werden, die glaube ich auch für einen Erwachsenen noch gelten. Die sollen dich ja so aufs Leben vorbereiten; dass das Leben nicht so schwer wiegt, wie es manchmal scheint.“ David spielt hier auf seine SoundCloud-Sets an; das Artwork ist immer ein Bild von einer Kinderserie oder einem Kinderfilm. 

Mich interessiert, ob es einen entscheidenden Moment gab, der David zum Auflegen motiviert hat, à la „okay, jetzt hab’ ich Bock aufzulegen“. Er erklärt mir, dass er schon immer gerne Musik gehört hat, vor allem House und Rap. Ein entscheidender Moment war dann allerdings ein Griechenland-Urlaub letztes Jahr. Er war mit einem Kumpel bei einem Produzenten, der gegenüber gewohnt hat. Der meinte zu ihm, er solle es einfach mal machen und ausprobieren. „Das hat mich dann inspiriert“, erklärt mir David stolz. „Zeitgleich gab es dort so einen Rave in einem alten Museum“, erzählt er. „Als ich dort auf die Party kam, hat es mich einfach umgehauen. Riesige Boxen, vermummter DJ und die Leute, die einfach nur den Moment und die Musik gefühlt und gegenseitig aufeinander aufgepasst haben. Da hab’ ich zum ersten Mal dieses Freiheitsgefühl kennengelernt, was die Leute dort hatten. Das war das erste Mal, dass ich einen Rave erlebt hab’. Das hat mich so inspiriert, dass ich gedacht hab’: Ich will auch Musik machen und Leute mit meiner Musik so begeistern wie diese Leute und ich dort begeistert worden sind.“ 

Foto Credit: htnh.de

Ich bin verblüfft, dass David erst vor so kurzer Zeit mit dem Auflegen in Berührung kam. Auf einigen Veranstaltungen im Rhein-Main-Gebiet konnte man dem Namen „Bichi“ schon begegnen. Auch bei Motion Events, einer Agency und einem etablierten Kollektiv des Rhein-Main-Gebiets, hat er schon des Öfteren aufgelegt. Ich frage mich, wie sich sein Stil in so kurzer Zeit entwickelt und ob er sich vielleicht auch schon verändert hat. 

„Skills kann man natürlich immer weiter ausbauen“, erklärt er mir. „Ich stehe ja noch ganz am Anfang. Aber es gab so Scheidepunkte in meinem Leben, die mich dorthin gebracht haben, wo ich jetzt bin. Letztes Jahr hab’ ich mir ein Mischpult zugelegt. Den ersten Kontakt mit Musik hatte ich dann mit dieser Tech-Szene, also Melodic-Tech, Tech House etc. Da hab ich so ein bisschen meinen Stil gespielt, es hatte da aber noch keinen richtigen Plan, also wo ich hätte sagen können, das bin ich. Dann gab es eine Freundin, die an mich geglaubt hat. Sie hat ein Kollektiv gegründet und mir gesagt, dass sie meine Musik feiert. Wir haben uns durch Musik connected, was für mich so mit das Schönste an Musik ist. Ich hab’ dann für das Kollektiv gespielt, paar Freund:innen aus Mainz waren da, paar Freund:innen aus der Heimat. So bin ich das erste Mal ans Auflegen gekommen und habe dann echt gute Resonanz von den Leuten bekommen. Das Melodische war mir wichtig. Und das ist mir mittlerweile auch beim Groove, den ich spiele, sehr wichtig, dass es melodisch ist, energetisch und dass es antreibt. Dann wurde ich immer mal wieder gefragt und habe Leute kennengelernt, die gesagt haben, sie würden mir gerne eine Bühne bieten. Anfang 2023 hab’ ich zu meinem Stil und zum Groove gefunden. Dann bin ich an die Motion-Leute gekommen. Die haben mich dann quasi so auf die Schultern genommen, wofür ich sehr dankbar bin“. 

Foto Credit: @alexandru_dunose

David hatte verschiedene Inspirationen, die ihn zum (Hard-)Groove gebracht haben. Anfangs hat er sehr melodisch gespielt, in Richtung Trance, erklärt er mir. Leute wie Narciss, ein Berliner DJ und Produzent, haben ihn gecatcht, was Gefühle angeht. Zum selbst Feiern habe ihm aber etwas gefehlt, was „Bounciges“, wie er es beschreibt. „Ich hab’ auf Soundcloud Mucke gesucht und mich dann so ein bisschen in diesem Groove verloren. Meine Inspirationen haben sich trotzdem nie geändert, also Butschi und Upper90 zum Beispiel. Die machen ja vor allem sehr melodischen Trance, aber die packen mich emotional. Und das versuche ich auf den Groove zu übertragen. Das ist für mich das, was ich am liebsten auflege. Da fühl’ ich mich am sichersten und es macht mir Spaß. Ich versuche das auch zu kombinieren mit anderen Genres, aber das ist so das, wo ich mich gefunden hab’ und wo mir die Musik richtig gefällt“.

Am meisten schätzt der 22-Jährige am Auflegen, dass er Freund:innen und Menschen, die davor stehen, vielleicht ein Lächeln ins Gesicht zaubern und ihnen eine schöne Zeit bereiten kann. Im Vordergrund sollte zwar die Musik stehen, wie er findet; aber am meisten geben ihm die schönen Momente, die er Menschen und damit auch sich selbst bietet. „Es ist schön, Menschen eine Freude zu bereiten und das hab’ ich dadurch so ein bisschen für mich entdeckt. Am Anfang war das Auflegen purer Stress, es hat mich überfordert und ich konnte selbst nicht so viel Spaß haben. Man muss da reinwachsen, aber wenn man das dann hat, kann man die Leute catchen und mitnehmen.“ Ich muss schmunzeln, denn genau den Eindruck habe ich, wenn ich Sets von David zuhöre. Oft schaut er einen mit großen Augen an, um abzuchecken, ob man es gerade genauso fühlt wie er. Die Freude darüber ist unbezahlbar.

Für David steht der Spaß der Crowd im Vordergrund. „Das heißt nicht, dass ich meine eigene Musik vernachlässige, weil ich spiel’ halt das, was mir gefällt, aber natürlich macht es viel mehr Spaß zu merken, die Leute feiern was man macht. Und am ehesten ist es, glaube ich, so, dass die Leute feiern, was man macht, wenn sie einen auch kennen und sich für einen freuen; und das hat man als kleiner Künstler oder kleine Künstlerin dann halt überwiegend erst mal durch Freund:innen. Die Reise, die man mit den Leuten erlebt, die Menschen, die man kennenlernt; das ist das Schöne beim Auflegen, und natürlich die Musik an sich. Musik ohne Menschen ist nichts und Menschen ohne Musik sind nichts. Es ist Dualismus“, erklärt er mir. Quasi ein Geben und ein Nehmen.

Foto Credit: privat

„Manchmal ist es auch der Fall, dass durch die Interaktion an diesem Abend eine Energie oder ein spiritueller Zustand entsteht; man feiert und genießt es zusammen. Das ist so mein Anspruch. Musik zu schaffen, die Momente schafft. Ich erinnere mich an ein Event, wo Narciss aufgelegt hat; da hat mich die Musik und die Art, wie er aufgelegt hat, so gecatcht, dass das mit Abstand das schönste Mal Feiern für mich war. Er hat einen Moment geschaffen, der für mich nicht nur ein Moment, sondern eine unfassbar schöne Erinnerung war“.

Ich wollte mit David noch über einen persönlichen Eindruck von mir sprechen. Mich interessiert, ob er diesen auch teilt und falls ja, wie er dazu steht. Ich habe das Gefühl, dass besonders Trance sich gerade sehr zum Mainstream entwickelt; bei Techno und besonders Hardtechno ist das nach meinem Empfinden schon länger so. Ich möchte wissen, ob David darin etwas Positives und/oder Negatives sieht und wie man es da als DJ schafft, sich treu zu bleiben.

„Also ich denke, dass etwas Mainstream ist, ist ja nicht grundsätzlich positiv oder negativ. Aber wichtig ist halt, dass der Geist von Techno, also dieser Raum, der geschaffen wird, für alle Menschen noch erreichbar ist; und dass alle sich wohlfühlen. Ich hab’ irgendwie das Gefühl, dass wenn Genres extrem gehyped sind, dass die Gefahr besteht, dass Leute sich nicht mehr so krass mit der Musik identifizieren und vielleicht nicht mehr bereit sind, diesen Moment zu erleben; weil es nur noch darum geht, gut für die Kamera auszusehen. Alles muss krasser sein. Auf Insta sieht man oft bei den Slides, dass es Drop auf Drop auf Drop geht; es werden immer nur die besten Momente gezeigt. Dadurch steigt natürlich der Anspruch für einen selbst, aber auch für die Menschen. Nach dem Motto „Ein Rave ist kacke, wenn er nicht gut für die Kamera aussieht“. Das muss aber nicht so sein. Musik ist mehr als das. Da muss man sich, glaube ich, ein Selbstbewusstsein schaffen als DJ.“

Foto Credit: @alexandru_dunose

Im weiteren Verlauf des Gesprächs teilt David eine Haltung mit mir, die für ihn essentiell ist. Es gibt diese Peak-Momente, wie er sie nennt, aber auch diese schlechten Momente. Kein Gig und keine Crowd sind gleich. „Da muss man sich dann selbst motivieren und einem muss klar werden, dass man das hier in erster Linie für sich und seine Freunde macht; besonders wenn es mal nicht so läuft, wie man es sich vorstellt. Was dann kommt, ist Zusatz und Bonus. So kann man dann auch seinem Stil treu bleiben“. Es ist eine Reise wie sonst im Leben auch so oft, philosophieren wir.

Am Anfang habe David an Genres viel durchmischt. Das mache er teilweise immer noch, „aber man muss auch sicher in seinem Stil sein. Für mich ist ein kleiner roter Faden wichtig“.

Ich möchte nochmal auf dieses „Instagram-Chic“ eingehen. Damit meine ich das Prestige, das einen Rave mittlerweile umgibt; die Art, wie ein Rave in den sozialen Netzwerken, besonders auf Instagram, dargestellt wird und den homogenen Stil, den sich die „Raver:innen“, bezogen auf Kleidungsstil und Tanzart, angeeignet haben. Ich meine das völlig wertfrei und ich kann mich dem auch selbst nicht entziehen. Außerdem ist das sicherlich eine persönliche Meinung, welche mit noch größerer Sicherheit nicht auf jede:n zutrifft. Die Beobachtung allerdings kann ich mit vielen Menschen, mit denen ich gesprochen habe, teilen. So auch mit Bichi. 

Ich frage ihn: „Wenn ich dich richtig verstanden habe, sagst du, Mainstream kann problematisch werden, wenn es nur noch darum geht, wie der Rave aussieht. Man kann es aber trotzdem schaffen, sich selbst treu zu bleiben und die Leute mitzureißen. Findest du auch was Positives daran, dass Techno seit einiger Zeit diesen Hype erfährt?“

„Ich glaube schon. Dadurch fangen viel mehr Künstler:innen an zu produzieren, es gibt viel mehr Austausch und Kollektive, die es früher nicht gab. Das wurde durch den Hype erst möglich gemacht. Sind wir mal ehrlich, ohne den Hype hätte es auch die Lulu nicht gegeben. Dadurch, dass Techno jetzt etwas ist, das viele Menschen mögen, ist die Musikindustrie darauf aufmerksam geworden und dadurch sind erst Veranstaltungen in riesigen Räumen und in großen Bunkern und so weiter möglich. In dem Ausmaß gab es das ja früher nicht. Mittlerweile hat man die Möglichkeit, jede Woche zu einem riesigen Event zu gehen. Es wurde auch barrierefreier. Jetzt gibt es dieses Nachahmen, aber es gibt eben auch viele neue Räume, viele neue DJs und dadurch unfassbar viel Inspiration. Deswegen finde ich es schade, wenn man nicht sein eigenes Ding macht, weil man so viele Möglichkeiten hat und immer etwas Eigenes beitragen kann. Es ist doch eigentlich schön, seinen eigenen Stil zu präsentieren und nicht, dass alles homogen ist. Ich finde es als Künstler:in sehr wichtig, Musik zu spielen, die unbekannt ist. Man kann sich von großen Künstler:innen inspirieren lassen, aber man hat, finde ich, die Aufgabe, etwas Eigenes zu machen. Ich spiele gerne Tracks, die keiner kennt, weil ich ihnen einen Raum geben möchte. Ich finde, überwiegend Edits zu spielen ist eigentlich kein Kunstgedanke. Man nimmt etwas, das bereits funktioniert hat. Es ist natürlich auch für die Crowd leichter, etwas zu feiern, was bereits gefeiert wird, da würde ich mir aber wünschen, dass Menschen mehr nach links und rechts schauen, vielleicht Künstler:innen supporten, die klein sind.“ 

Foto Credit: @alexandru_dunose

Mir persönlich hat David damit einen ganz neuen Blickwinkel eröffnet. „Sich etwas zu trauen und seine Individualität auszudrücken, würde ich auch als wichtig erachten. Und wäre es da nicht schön, wieder mehr Heterogenität sowohl bei der Crowd als auch bei den DJs zu erleben?“, frage ich ihn.

„Genau. Die Leute trauen sich aber nur etwas, wenn sie auch einen gewissen Support kriegen. Ich hätte mir meinen Stil nie so angeeignet, wie ich es jetzt hab’, wenn meine Freund:innen, besonders bei Motion, mich nicht in dem Maße unterstützen würden, wie sie es tun. Man braucht immer eine gewisse Selbstsicherheit und ich hatte die durch Unterstützung von meinen Freund:innen. Für etwas Neues braucht man immer Mut“.

Ich finde, das ist ein schönes Schlusswort. Eine letzte Frage interessiert mich aber noch. Und zwar die fürs Einerseits typische Frage des zuvor Interviewten. „Silas alias MARMORMETALL fragt, was die Top 3 deiner Lieblingsgerichte ist?“ 

„Am allerliebsten esse ich Lasagne, egal wie, Hauptsache Lasagne“, scherzt er. „Ansonsten Tacos und ich liebe auch Käse-Lauch-Suppe”.

Ich bin begeistert von diesem interessanten Gespräch und danke David für seine Offenheit. Auf seinem weiteren Weg wünsche ich ihm ganz viel Freude und besonders viele weitere Momente, in denen er den Menschen ein Lächeln ins Gesicht zaubern kann. 

Wenn ihr neugierig geworden seid und Bock habt mehr über David zu erfahren, folgt ihm auf Instagram: @bichi.hk oder checkt sein Soundcloud: BICHI

H1

H2

H3

H4

H5
H6
Quote

Bold Text

Paragraph Text

Italic Text

Link

  • test
  • test
  • test
  • test

Fotocredits

Back to Top Icon