Ich bin durchnässt, meine Klamotten kleben an meinem Körper. Ich spüre, wie der Schweiß der Menge, der sich an der Decke sammelt und kondensiert, auf mich herabtröpfelt. Die Luft ist erfüllt von dem ohrenbetäubenden Jubel und Pfeifen der Menge um mich herum. Alles scheint zu pulsieren, ich lasse mich fallen, hebe fast automatisch ein Bein nach dem anderen. Unermüdlich. Stundenlang.
Einige mögen diese Vorstellung als seltsam oder sogar abstoßend empfinden, andere sehen in Raves (Tanzveranstaltung mit elektronischer, von einer:einem DJ gemischter Musik) eine Möglichkeit, der Realität zu entfliehen und sich von Hemmungen und negativen Gedanken zu befreien. Oftmals entsteht ein Gefühl der Verbundenheit mit allen Anwesenden – unabhängig von Alter, Geschlecht oder Herkunft. Wenn auch jede:r für sich alleine tanzt, teilen alle Eines: die Liebe zur elektronischen Musik.
Auf diesen Grundgedanken basiert die in den 90er-Jahren in Deutschland angekommene Subkultur des Technos. Loslassen, den Dingen freien Lauf lassen. Pure Eskalation – die angestaute Wut der Woche entladen oder einfach mal das Leben feiern.
Mindestens genauso wichtig für einen guten Rave wie ein motiviertes und tolerantes Publikum ist ohne Frage der:die DJ. Aber mal ehrlich – was machen die da hinter dem Mischpult eigentlich? Herumhüpfen, an ein paar Knöpfchen drehen oder doch lediglich auf „Play“ drücken?
Spoiler: Wer ein:e gute:r DJ sein möchte, benötigt weitaus mehr als einen Laptop und ein paar Songs.
Diese Erfahrung durfte ich gemeinsam mit unserer Redakteurin Jasmin und unserer Fotografin Magdalena bei WOMANSPLAINING machen – ein DJ-Workshop ausschließlich für FLINTA*s (Das Akronym FLINTA* steht für Frauen, Lesben, intersexuelle, nicht-binäre, trans und agender Personen – also für all jene, die aufgrund ihrer Geschlechtsidentität patriarchal diskriminiert werden), ins Leben gerufen von der Mainzer DJ und Veranstalterin Mareen aka Katharsia.
In einer Gruppe von sechs Frauen bekamen wir an einem Samstagvormittag im Mainzer Schick Fahrstunden. Wann aufs Gas treten? Wann die Handbremse ziehen? Einen Gang runter? Oder doch lieber hoch? Alles unter Anleitung von Mareen, die uns mit viel Leidenschaft und Geduld die Grundlagen und Begriffe des Auflegens näherbrachte. Nach einer kurzen theoretischen Einführung durften wir selbst Hand anlegen und uns an unseren ersten Übergängen versuchen. Was bei Mareen so simpel schien, stellte sich schnell als das genaue Gegenteil heraus – trotz eines groben Überblicks über die CDJs (spezialisierter digitaler Musikplayer für DJing) und den Mixer (Gerät, das mithilfe von Dreh- und Schiebereglern, beleuchteten Knöpfen und anderen Komponenten von DJs dazu verwendet wird, Musik zu mischen) wurde deutlich, wie anspruchsvoll es ist, das Beatmatching (Taktgenaues Synchronisieren der Geschwindigkeit zweier oder mehr Tracks) nur anhand des Gehörs zu bewerkstelligen. Umso größer war das Erfolgserlebnis, wenn die Tracks nicht miteinander kollidierten und sich dabei nicht anhörten, als ob ein Motor ins Stocken geraten würde. Um Jasmin zu zitieren: „Auflegen ist definitiv kein Hexenwerk, aber es ist Arbeit und man muss – wie alles andere im Leben auch – üben, um besser zu werden.“
… aber spulen wir mal zurück: Wozu das Ganze? Kann man sich das Auflegen nicht selbst beibringen? Und warum ist der Workshop eigentlich nur für FLINTA*s? Dazu ein paar Worte von der Veranstalterin selbst.
Liebe Mareen, wie kamst du auf die Idee, den Workshop WOMANSPLAINIG zu starten?
Ich selbst lege schon seit einigen Jahren auf und mir ist immer aufgefallen, dass der Anteil männlicher DJs in der Szene relativ hoch ist. Irgendwann dachte ich mir, dass ich die Szene diversifizieren möchte.
Ich möchte keine Gatekeeperin sein, sondern eine Gate Openerin.
Ich möchte meine Szene und mein Wissen mit anderen Leuten teilen – besonders eben mit FLINTA*-Personen.
Was steckt hinter dem Namen WOMANSPLAINING?
Es ist ein Wortspiel in Bezug auf „Mansplaining“. Das ist ein Kommunikationsakt, bei dem ein Mann einer Frau etwas erklärt, was sie schon längst weiß und er dabei so tut, als hätte sie noch kein Wissen darüber und ihr eine gewisse fachliche Inkompetenz unterstellt. „Mansplaining" ist also eine Wortneuschöpfung aus „Man“ und „explaining“. Ich habe das umgewandelt, weil ich gerne von Frau zu Frau etwas vermitteln, erklären und weitergeben möchte.
Zurück zu dir als DJ. Wann und warum hast du damit begonnen, selbst aufzulegen?
Ich war immer flammendes Mitglied der Techno-Szene, schon seit bestimmt 10 Jahren. Ich war viel raven und tanzen und mochte schon immer die Subkultur. Es ist einfach ein freier Ort mit wunderbarer Musik und einzigartigen Momenten, die ich in diesem Stil noch nie woanders erlebt habe.
Ich war immer sehr musikalisch, musikinteressiert und -begeistert und habe mich irgendwann getraut, selbst aufzulegen. Das hat aber länger gedauert, als es hätte dauern müssen, weil mir die weiblichen Identifikationsfiguren gefehlt haben.
Ich habe eine ganze Zeit lang nur Männer auf der Bühne gesehen, wodurch es etwas gedauert hat, bis in meinem Kopf die Brücke hergestellt war, dass es auch weibliche DJs gibt. Der Rest ist dann Geschichte – ich habe angefangen zu spielen, mich im Mixing und Auflegen verloren, angefangen, Gigs zu spielen und seitdem nicht mehr damit aufgehört.
Hast du seit deinen Anfängen in der Szene auch schon Veränderungen bezüglich Diversität feststellen können?
Auf jeden Fall. Ich versuche auch selbst als Veranstalterin dafür zu sorgen, dass die Line-Ups divers sind. Außerdem probiere ich, alle Menschen, mit denen ich zusammenarbeite, darauf hinzuweisen, dass man alles noch diverser gestalten kann. Es wird auf jeden Fall besser, aber wir sind noch nicht am Ende der Reise angekommen.
Was wünschst du dir für die Zukunft der Techno-Szene?
Ich wünsche mir, dass wir noch offener und noch freier werden. Und dass wir dieses Grundgefühl, woraus die elektronische Szene auch entsprungen ist, noch mehr würdigen – in der Art und Weise, wie wir veranstalten, wie wir zusammen feiern und wie wir zusammen loslassen.
Es ist kein Geheimnis, dass es ohne Initiative keinen Fortschritt gibt. Gerade deshalb spielt die Präsenz und Arbeit von Mareen eine entscheidende Rolle im Kampf gegen die Geschlechterungleichheit in der Musikindustrie. In einer Szene, die in ihrem Grundgedanken für Solidarität und Vielfalt steht, aber dennoch zu oft in die Exklusivität abrutscht, ist es umso erfrischender, dass es Leute wie Mareen gibt, die Spaß daran haben, ihre Leidenschaft und ihr Wissen mit anderen zu teilen.
Wenn ihr nun ebenfalls motiviert seid, euch mal am Auflegen zu probieren, verfolgt unbedingt Mareens Instagram-Account. Dort informiert sie über die regelmäßigen Workshop-Termine. Und nur keine falsche Scheu! Mareen gelingt es, eine authentische und einladende Atmosphäre zu schaffen, in der sich alle wohlfühlen können. Ganz getreu der Devise: miteinander – nicht gegeneinander.
In diesem Sinne: FLINTA*s to the front!
PS: Ihr wundert euch, warum der Begriff „DJane“ nicht gefallen ist? Die Antwort findet ihr in unserem Interview mit der DJ Kristina aka ueberkikz: „DJ statt DJane – Als Frau in der elektronischen Musikszene“.
Ich bin durchnässt, meine Klamotten kleben an meinem Körper. Ich spüre, wie der Schweiß der Menge, der sich an der Decke sammelt und kondensiert, auf mich herabtröpfelt. Die Luft ist erfüllt von dem ohrenbetäubenden Jubel und Pfeifen der Menge um mich herum. Alles scheint zu pulsieren, ich lasse mich fallen, hebe fast automatisch ein Bein nach dem anderen. Unermüdlich. Stundenlang.
Einige mögen diese Vorstellung als seltsam oder sogar abstoßend empfinden, andere sehen in Raves (Tanzveranstaltung mit elektronischer, von einer:einem DJ gemischter Musik) eine Möglichkeit, der Realität zu entfliehen und sich von Hemmungen und negativen Gedanken zu befreien. Oftmals entsteht ein Gefühl der Verbundenheit mit allen Anwesenden – unabhängig von Alter, Geschlecht oder Herkunft. Wenn auch jede:r für sich alleine tanzt, teilen alle Eines: die Liebe zur elektronischen Musik.
Auf diesen Grundgedanken basiert die in den 90er-Jahren in Deutschland angekommene Subkultur des Technos. Loslassen, den Dingen freien Lauf lassen. Pure Eskalation – die angestaute Wut der Woche entladen oder einfach mal das Leben feiern.
Mindestens genauso wichtig für einen guten Rave wie ein motiviertes und tolerantes Publikum ist ohne Frage der:die DJ. Aber mal ehrlich – was machen die da hinter dem Mischpult eigentlich? Herumhüpfen, an ein paar Knöpfchen drehen oder doch lediglich auf „Play“ drücken?
Spoiler: Wer ein:e gute:r DJ sein möchte, benötigt weitaus mehr als einen Laptop und ein paar Songs.
Diese Erfahrung durfte ich gemeinsam mit unserer Redakteurin Jasmin und unserer Fotografin Magdalena bei WOMANSPLAINING machen – ein DJ-Workshop ausschließlich für FLINTA*s (Das Akronym FLINTA* steht für Frauen, Lesben, intersexuelle, nicht-binäre, trans und agender Personen – also für all jene, die aufgrund ihrer Geschlechtsidentität patriarchal diskriminiert werden), ins Leben gerufen von der Mainzer DJ und Veranstalterin Mareen aka Katharsia.
In einer Gruppe von sechs Frauen bekamen wir an einem Samstagvormittag im Mainzer Schick Fahrstunden. Wann aufs Gas treten? Wann die Handbremse ziehen? Einen Gang runter? Oder doch lieber hoch? Alles unter Anleitung von Mareen, die uns mit viel Leidenschaft und Geduld die Grundlagen und Begriffe des Auflegens näherbrachte. Nach einer kurzen theoretischen Einführung durften wir selbst Hand anlegen und uns an unseren ersten Übergängen versuchen. Was bei Mareen so simpel schien, stellte sich schnell als das genaue Gegenteil heraus – trotz eines groben Überblicks über die CDJs (spezialisierter digitaler Musikplayer für DJing) und den Mixer (Gerät, das mithilfe von Dreh- und Schiebereglern, beleuchteten Knöpfen und anderen Komponenten von DJs dazu verwendet wird, Musik zu mischen) wurde deutlich, wie anspruchsvoll es ist, das Beatmatching (Taktgenaues Synchronisieren der Geschwindigkeit zweier oder mehr Tracks) nur anhand des Gehörs zu bewerkstelligen. Umso größer war das Erfolgserlebnis, wenn die Tracks nicht miteinander kollidierten und sich dabei nicht anhörten, als ob ein Motor ins Stocken geraten würde. Um Jasmin zu zitieren: „Auflegen ist definitiv kein Hexenwerk, aber es ist Arbeit und man muss – wie alles andere im Leben auch – üben, um besser zu werden.“
… aber spulen wir mal zurück: Wozu das Ganze? Kann man sich das Auflegen nicht selbst beibringen? Und warum ist der Workshop eigentlich nur für FLINTA*s? Dazu ein paar Worte von der Veranstalterin selbst.
Liebe Mareen, wie kamst du auf die Idee, den Workshop WOMANSPLAINIG zu starten?
Ich selbst lege schon seit einigen Jahren auf und mir ist immer aufgefallen, dass der Anteil männlicher DJs in der Szene relativ hoch ist. Irgendwann dachte ich mir, dass ich die Szene diversifizieren möchte.
Ich möchte keine Gatekeeperin sein, sondern eine Gate Openerin.
Ich möchte meine Szene und mein Wissen mit anderen Leuten teilen – besonders eben mit FLINTA*-Personen.
Was steckt hinter dem Namen WOMANSPLAINING?
Es ist ein Wortspiel in Bezug auf „Mansplaining“. Das ist ein Kommunikationsakt, bei dem ein Mann einer Frau etwas erklärt, was sie schon längst weiß und er dabei so tut, als hätte sie noch kein Wissen darüber und ihr eine gewisse fachliche Inkompetenz unterstellt. „Mansplaining" ist also eine Wortneuschöpfung aus „Man“ und „explaining“. Ich habe das umgewandelt, weil ich gerne von Frau zu Frau etwas vermitteln, erklären und weitergeben möchte.
Zurück zu dir als DJ. Wann und warum hast du damit begonnen, selbst aufzulegen?
Ich war immer flammendes Mitglied der Techno-Szene, schon seit bestimmt 10 Jahren. Ich war viel raven und tanzen und mochte schon immer die Subkultur. Es ist einfach ein freier Ort mit wunderbarer Musik und einzigartigen Momenten, die ich in diesem Stil noch nie woanders erlebt habe.
Ich war immer sehr musikalisch, musikinteressiert und -begeistert und habe mich irgendwann getraut, selbst aufzulegen. Das hat aber länger gedauert, als es hätte dauern müssen, weil mir die weiblichen Identifikationsfiguren gefehlt haben.
Ich habe eine ganze Zeit lang nur Männer auf der Bühne gesehen, wodurch es etwas gedauert hat, bis in meinem Kopf die Brücke hergestellt war, dass es auch weibliche DJs gibt. Der Rest ist dann Geschichte – ich habe angefangen zu spielen, mich im Mixing und Auflegen verloren, angefangen, Gigs zu spielen und seitdem nicht mehr damit aufgehört.
Hast du seit deinen Anfängen in der Szene auch schon Veränderungen bezüglich Diversität feststellen können?
Auf jeden Fall. Ich versuche auch selbst als Veranstalterin dafür zu sorgen, dass die Line-Ups divers sind. Außerdem probiere ich, alle Menschen, mit denen ich zusammenarbeite, darauf hinzuweisen, dass man alles noch diverser gestalten kann. Es wird auf jeden Fall besser, aber wir sind noch nicht am Ende der Reise angekommen.
Was wünschst du dir für die Zukunft der Techno-Szene?
Ich wünsche mir, dass wir noch offener und noch freier werden. Und dass wir dieses Grundgefühl, woraus die elektronische Szene auch entsprungen ist, noch mehr würdigen – in der Art und Weise, wie wir veranstalten, wie wir zusammen feiern und wie wir zusammen loslassen.
Es ist kein Geheimnis, dass es ohne Initiative keinen Fortschritt gibt. Gerade deshalb spielt die Präsenz und Arbeit von Mareen eine entscheidende Rolle im Kampf gegen die Geschlechterungleichheit in der Musikindustrie. In einer Szene, die in ihrem Grundgedanken für Solidarität und Vielfalt steht, aber dennoch zu oft in die Exklusivität abrutscht, ist es umso erfrischender, dass es Leute wie Mareen gibt, die Spaß daran haben, ihre Leidenschaft und ihr Wissen mit anderen zu teilen.
Wenn ihr nun ebenfalls motiviert seid, euch mal am Auflegen zu probieren, verfolgt unbedingt Mareens Instagram-Account. Dort informiert sie über die regelmäßigen Workshop-Termine. Und nur keine falsche Scheu! Mareen gelingt es, eine authentische und einladende Atmosphäre zu schaffen, in der sich alle wohlfühlen können. Ganz getreu der Devise: miteinander – nicht gegeneinander.
In diesem Sinne: FLINTA*s to the front!
PS: Ihr wundert euch, warum der Begriff „DJane“ nicht gefallen ist? Die Antwort findet ihr in unserem Interview mit der DJ Kristina aka ueberkikz: „DJ statt DJane – Als Frau in der elektronischen Musikszene“.