Das Problem mit der Solidarisierung von Unternehmen

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https://pxhere.com/de/photo/605513 und https://www.flickr.com/photos/nathaninsandiego/5954174771
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Wie wahrscheinlich alle von uns wissen, befinden wir uns mit dem Juni im sogenannten Pride Month. Dieser befasst sich auf vielen Ebenen mit den Problemen und Entwicklungen der LGBTQIA+-Community (LGBTQIA+ steht für Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender, Queer, Intersex, Asexual, wobei das Plus für alle weiteren Personen(-gruppen) steht, die eine Form der Diskriminierung aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer geschlechtlichen Identität erleben). 

Im Mittelpunkt stand und stehen hierbei das Stolz-Sein auf die eigene Sexualität bzw. Identität und die Beseitigung von damit verbundenem Schamgefühl sowie die Akzeptanz von Diversität. Doch reicht die Geschichte des Pride Months bereits einige Jahre, bis zum ersten Christopher Street Day, zurück. 

Dass der Pride Month vielmehr ist, als die im Jahr 1987 vom US-amerikanischen Künstler Gilbert Baker designte Regenbogenflagge, mit welcher sich so manches Unternehmen lediglich Juni für Juni gerne schmückt, wird in diesem Artikel behandelt.   

Beginn der “Gay Pride” Bewegungen im Jahr 1969      

Während der 1960er-Jahre galt in den USA eine sehr strenge Politik, die es Schwulen, Lesben und allen weiteren Personen, die nicht in das heterosexuelle Ideal der konservativen Wertvorstellungen passten, unmöglich machte, ihre Individualität im öffentlichen Raum auszuleben. Viele Formen der kulturellen und gesellschaftlichen Teilhabe blieben jenen daher verwehrt. Ein Schlüsselereignis fand am 28. Juni 1969 statt, als in der Bar “The Stonewall Inn” in der Christopher Street in New York City, welche bis dato als ein Safe Space für die LGBTQIA+-Community galt, eine Razzia durchgeführt wurde, der jene Community tagelang Gewalt entgegnete. In den darauffolgenden Tagen fand eine starke Solidarisierung mit dieser Community statt. Daraufhin häuften sich die Proteste und immer mehr - auch der Community nicht angehörige - Menschen begannen, sich für die Rechte und den Schutz der Unterdrückten einzusetzen. Zwar hielt es sich hierbei (“Stonewall Uprising”) nicht um die erste Protestbewegung ihrer Art, doch um die wohl bedeutendste und einflussreichste. So nahmen zur ersten jährlichen “Gay Pride” Parade im Jahr 1970 – der Zelebrierung des Tages, der von da an als “Christopher Street (Liberation) Day”, kurz CSD bekannt war – bereits rund 4.000 Personen teil. 

Deutschland begann mit der Würdigung dieses historischen Tages allerdings erst zehn Jahre später, im Jahr 1979, als in Berlin der erste öffentliche CSD stattfand. Daraufhin entwickelten sich die Bewegungen immer weiter, sei es in Form von Party-Events, kulturellen Veranstaltungen, Märschen, Demonstrationen, direktem politischen Engagement und vielem weiteren; die Gesellschaften zeigen weltweit Haltung.  

Foto Credit: Travis Wise (https://cdn.britannica.com/37/185337-050-E1062558/Stonewall-Inn-Greenwich-Village-New-York-City.jpg)

 

Inzwischen sind seit der ersten Gay Pride Parade 52 Jahre vergangen und es hat sich, obgleich noch unglaublich viel Entwicklung, Empathie und gesellschaftliche sowie politische Adaption nötig sind, für die LGBTQIA+-Community einiges getan. So wurden in den USA und Deutschland, als Beispiele, die gleichgeschlechtliche Ehe eingeführt, und seit Ende letzten Jahres ist es in den USA möglich, in Ausweisdokumenten auf die Geschlechtsbezeichnung zu verzichten. Dies sind äußerst wichtige Schritte für die Mitglieder der Community, die dabei helfen, langsam aber sicher allen Menschen ein gleichberechtigtes Leben in der Gesellschaft zu ermöglichen. Jedoch darf sich mit den Entwicklungen und Besserungen im Westen nicht zufrieden gegeben werden, solange Homosexualität und Transsein weltweit in vielen Ländern noch schwer diskriminiert und sogar mit Gewalt begegnet wird; oder wie beispielsweise im Iran, Pakistan, Katar oder Nigeria, politisch mit schweren Strafen, die teils bis zum Tode führen, geahndet wird. Die weltweite Solidarisierung und der Einsatz bei der Bekämpfung von Homo- und Transphobie im eigenen Umfeld und der eigenen Gesellschaft sowie die Unterstützung von Organisationen weltweit sind daher nötig, um die Akzeptanz, Sicherheit und Möglichkeit zur freien Selbstentfaltung bzw. Partizipation für alle Menschen, an allen Orten zu ermöglichen, egal welchen Geschlechtes und welcher sexuellen Orientierung. 

Der Pride Month und die öffentliche Solidarisierung von Unternehmen 

Aufgrund des für die Entwicklung notwendigen Zusammenhalts und gemeinschaftlichen Engagements entwickelten sich die Pride-Events langsam zum Pride Month, welcher anlässlich der Ereignisse 1969 in den meisten Ländern der Welt im Juni stattfindet. Dieser Monat dient der weltweiten öffentlichen Solidarisierung, der Aufarbeitung der LGBTQIA+-Geschichte sowie der Forderung nach mehr Akzeptanz und Gleichberechtigung. Wo Privatpersonen häufig ihre öffentlichen Kanäle zur Solidarisierung und Aufklärung nutzen, sind Unternehmen wie so häufig nicht weit entfernt.  

       

Während dabei einige Unternehmen wie die “Kompania Piwowarsk” – die Brauerei hinter den beliebten Bieren “Tyskie” und “Lech”, die sich offen zur Finanzierung von Befürworter:innen “LGBT-freier Zonen” bekennt – Negativbeispiele darstellen, legen viele andere großen Wert darauf, in diesem Monat ein Statement zu setzen und sich klar zu positionieren. Zum diesjährigen CSD soll beispielsweise am Bundestag die LGBTQIA+-Fahne wehen. Andere Beispiele wären die unzähligen Veränderungen an Designs verschiedener Unternehmen oder die Nutzung ihrer Reichweite, um z. B. Anhänger:innen der Kultur in diesem Monat eine Bühne zu bieten. So hat “H&M” den Juni genutzt, um sich mit dem Thema LGBTQIA+-Identität und Familie auseinanderzusetzen. “Apple” stellte anlässlich des diesjährigen Pride Months unter anderem in Zusammenarbeit mit “Nike” ihre neuen regenbogenfarbenen “Apple Watch” Armbänder vor, welche dauerhaft erhältlich sein werden. Durch die dauerhafte Verfügbarkeit der Apple Watch Armbänder wird ein klein wenig Nachhaltigkeit erzeugt, da sich die Solidarisierung nicht lediglich auf den Juni begrenzt. Allerdings wird sich auch hier wieder recht plump, wenn auch ästhetisch anspruchsvoll, des Regenbogen-Themas bedient. Die optisch etwas subtiler gestalteten Erzählungen von H&M machen auf die bisherigen Fortschritte aufmerksam und stellen persönliche Erfolge dar. Hierbei lässt sich jedoch die Begrenzung auf einen Monat deutlich bemerken, weshalb die Firma $100.000 an die “UN Free & Equal campaign” spendet, welche ganzjährig für die Gleichberechtigung aller Menschen kämpft. “Levi’s” handelt ähnlich wie H&M, indem es neben seiner Pride Collection $100.000 an “OutRight Action International” spendet und somit ebenfalls konstantes Engagement unterstützt. Auch Nike hat sich mit den Erzählungen verschiedener queerer Athlet:innen und der Veröffentlichung einer neuen Kollektion, die ebenfalls etwas subtiler und weniger penetrant auftritt, klar positioniert, auch wenn bei diesem Unternehmen, wie auch bei Apple, nicht erkennbar wird, ob Erlöse der Produkte gespendet werden.         

Kritisiert wird hierbei neben der oft einmonatigen Kampagnen, dass Solidarisierung mehr als Charity und weniger als dauerhafte Einstellung betrachtet wird. Veränderung findet durch Austausch und eine darauf folgende Anpassung des Verhaltens, Handelns und Denkens statt und nicht ausschließlich durch das Stiften von Geld.     

Dabei gibt es auch auf anderen Ebenen Kritik zu üben. Denn es ist nicht selten, dass Unternehmen, die eigentlich nicht besonders viel mit der Szene und ihren Mitgliedern zu tun haben oder sich auch nicht konsistent für jene einsetzen, die Regenbogenfahne fast schon inflationär hissen, und das genau bis zum 30. Juni. Einige unterstellen den Unternehmen dabei berechnendes wirtschaftliches Kalkül und sehen die Veränderungen im Juni lediglich als eine Marketing-Strategie zur Generierung von Sympathie und Gewinnung weiterer potentieller Kund:innen. So verkauft “Vaseline” beispielsweise ein Produkt mit regenbogenfarbener Verpackung zum doppelten Preis. “Burger King” bringt mit dem “Pride Whopper” für einen begrenzten Monat einen Burger mit zwei gleichen Buns raus. Das “BMW” Logo wurde lediglich auf den Social Media Kanälen des westlichen Raums geändert. Fraglich ist dabei, wie viel sich die Marketingabteilungen solcher Unternehmen dabei denken und vor allem, wie sehr sie tatsächlich dahinter stehen, zumal sich die farblich angepassten Firmenlogos zum 01. Juli meist schlagartig wieder in die Normalfarben verwandeln und im Falle von Burger King nicht einmal von einer Kooperation mit einem Verein/Stiftung/NGO die Rede ist. Auch Verbände wie die “UEFA”, denen bereits häufiger Diskriminierungen unterstellt sowie die Zusammenarbeit mit und Nachgiebigkeit gegenüber intoleranten Staaten nachgewiesen wurde, schmückten sich in der Vergangenheit bereits mit der Rainbow-Flag. Diese Art der Solidarisierung lässt auf wenig nachhaltige Veränderung hoffen und stellt erneut, wie auch bei Black Lives Matter beispielsweise dar, dass oftmals öffentliche Reichweite für Image und Sympathie statt Haltung und Veränderung genutzt wird.         

Was uns beispielsweise von Autoherstellern, die sich mit ihrem besonderen, höchst ökologischen Auftrag brüsten, bereits als “Greenwashing” bekannt ist, findet in diesem Kontext unter der Bezeichnung “Pinkwashing” statt. Dieser Begriff benennt das oben beschriebene Phänomen, welches nicht bei allen, besonders nicht bei den Mitgliedern der Community, gut ankommt. Die Gründe hierfür liegen zum einen in der Begrenzung öffentlicher Solidarisierung auf den Juni und zum anderen in der “Heuchelei” einiger Unternehmen, die sich im Juni als äußerst LGBTQIA+-freundlich darstellen, allerdings das restliche Jahr nicht in diesem Sinne handeln. Dass die zeitliche Begrenzung der Bearbeitung eines Problems, das andauernd vorherrscht, keine nachhaltige Wirkung haben kann, sollte auf der Hand liegen. Daher wäre es wichtig, den Unternehmen die Frage zu stellen, wie sie sich denn außerhalb von Regenbogenflaggen und einem Monat Aktivismus für die LGBTQIA+-Community, besonders im eigenen Hause einsetzen. Auch sollte die Kommunikation mit der Community sowie die gelebte Gleichberechtigung im Vordergrund stehen. Ob hierfür die Vermarktung und Anpassung sowie die daraus folgende Mehrproduktion der firmeneigenen Produkte notwendig ist, bleibt dabei fraglich.  

Hier soll kein Vorwurf an die Solidarisierung im Pride Month bzw. kein Vorwurf an sämtliche Unternehmen stattfinden. Allerdings ist es wichtig, im Blick zu behalten, welche Auswirkungen das eigene Handeln haben kann und was für eine Verantwortung von uns allen getragen wird.              

Auch unsere Umgebung positioniert sich. So fand der Wiesbadener CSD dieses Jahr am 28. Mai statt und bestand aus einer Demo, einem Sommerfest und einer anschließenden Party. Er wurde in Kooperation mit dem “Schlachthof” vom gemeinnützigen Verein “Warmes Wiesbaden e. V.”, welcher sich seit über zehn Jahren für ein LGBTQIA+-freundliches Wiesbaden einsetzt, veranstaltet. Wer an Projekten oder Events des Vereins interessiert ist oder einfach mal am Stammtisch im 60/40 teilnehmen möchte, sollte definitiv deren Website auschecken! 

Foto Credit: Chiara Lessing

Bis dahin wünsche ich euch allen alles Gute, vielen Dank fürs Lesen!
Seid bitte lieb zueinander und hört euch gegenseitig zu, um euch verstehen und voneinander lernen zu können. 

Text von Edwin Piperek

PS: Für einen (sehr empfehlenswerten!) umfassenderen und tiefgreifenden Einblick in die Materie bietet sich ein Blick in die verwendeten Quellen an. 

Quellen:

Bundeszentrale für politische Bildung (2019). Die Geburtsstunde des “Gay Pride”.

CNN Editorial Research (2021). LGBTQ Rights Milestones [USA] Fast Facts. 

Kölner Stadtanzeiger (2022). “Pinkwashing”. So benutzen Unternehmen den Pride Month für Marketing.

Lesben- und Schwulenverband (2021). LGBT-Rechte weltweit: Wo droht Todesstrafe oder Gefängnis für Homosexualität?.

Muhr, Katharina, in Inside H&M (2022). Pride 2022: Meine Wahlfamilie.

Queer.de (2020). Mildes Urteil für geplanten Anschlag auf CSD in Lublin. 

Stuttgarter Zeitung (2022). Christopher Street Day. Regenbogenflagge soll am Reichstag wehen.

Wurzburger, Andrea, in People (2022). Everything You Need To Know About Pride Month. 

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Wie wahrscheinlich alle von uns wissen, befinden wir uns mit dem Juni im sogenannten Pride Month. Dieser befasst sich auf vielen Ebenen mit den Problemen und Entwicklungen der LGBTQIA+-Community (LGBTQIA+ steht für Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender, Queer, Intersex, Asexual, wobei das Plus für alle weiteren Personen(-gruppen) steht, die eine Form der Diskriminierung aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer geschlechtlichen Identität erleben). 

Im Mittelpunkt stand und stehen hierbei das Stolz-Sein auf die eigene Sexualität bzw. Identität und die Beseitigung von damit verbundenem Schamgefühl sowie die Akzeptanz von Diversität. Doch reicht die Geschichte des Pride Months bereits einige Jahre, bis zum ersten Christopher Street Day, zurück. 

Dass der Pride Month vielmehr ist, als die im Jahr 1987 vom US-amerikanischen Künstler Gilbert Baker designte Regenbogenflagge, mit welcher sich so manches Unternehmen lediglich Juni für Juni gerne schmückt, wird in diesem Artikel behandelt.   

Beginn der “Gay Pride” Bewegungen im Jahr 1969      

Während der 1960er-Jahre galt in den USA eine sehr strenge Politik, die es Schwulen, Lesben und allen weiteren Personen, die nicht in das heterosexuelle Ideal der konservativen Wertvorstellungen passten, unmöglich machte, ihre Individualität im öffentlichen Raum auszuleben. Viele Formen der kulturellen und gesellschaftlichen Teilhabe blieben jenen daher verwehrt. Ein Schlüsselereignis fand am 28. Juni 1969 statt, als in der Bar “The Stonewall Inn” in der Christopher Street in New York City, welche bis dato als ein Safe Space für die LGBTQIA+-Community galt, eine Razzia durchgeführt wurde, der jene Community tagelang Gewalt entgegnete. In den darauffolgenden Tagen fand eine starke Solidarisierung mit dieser Community statt. Daraufhin häuften sich die Proteste und immer mehr - auch der Community nicht angehörige - Menschen begannen, sich für die Rechte und den Schutz der Unterdrückten einzusetzen. Zwar hielt es sich hierbei (“Stonewall Uprising”) nicht um die erste Protestbewegung ihrer Art, doch um die wohl bedeutendste und einflussreichste. So nahmen zur ersten jährlichen “Gay Pride” Parade im Jahr 1970 – der Zelebrierung des Tages, der von da an als “Christopher Street (Liberation) Day”, kurz CSD bekannt war – bereits rund 4.000 Personen teil. 

Deutschland begann mit der Würdigung dieses historischen Tages allerdings erst zehn Jahre später, im Jahr 1979, als in Berlin der erste öffentliche CSD stattfand. Daraufhin entwickelten sich die Bewegungen immer weiter, sei es in Form von Party-Events, kulturellen Veranstaltungen, Märschen, Demonstrationen, direktem politischen Engagement und vielem weiteren; die Gesellschaften zeigen weltweit Haltung.  

Foto Credit: Travis Wise (https://cdn.britannica.com/37/185337-050-E1062558/Stonewall-Inn-Greenwich-Village-New-York-City.jpg)

 

Inzwischen sind seit der ersten Gay Pride Parade 52 Jahre vergangen und es hat sich, obgleich noch unglaublich viel Entwicklung, Empathie und gesellschaftliche sowie politische Adaption nötig sind, für die LGBTQIA+-Community einiges getan. So wurden in den USA und Deutschland, als Beispiele, die gleichgeschlechtliche Ehe eingeführt, und seit Ende letzten Jahres ist es in den USA möglich, in Ausweisdokumenten auf die Geschlechtsbezeichnung zu verzichten. Dies sind äußerst wichtige Schritte für die Mitglieder der Community, die dabei helfen, langsam aber sicher allen Menschen ein gleichberechtigtes Leben in der Gesellschaft zu ermöglichen. Jedoch darf sich mit den Entwicklungen und Besserungen im Westen nicht zufrieden gegeben werden, solange Homosexualität und Transsein weltweit in vielen Ländern noch schwer diskriminiert und sogar mit Gewalt begegnet wird; oder wie beispielsweise im Iran, Pakistan, Katar oder Nigeria, politisch mit schweren Strafen, die teils bis zum Tode führen, geahndet wird. Die weltweite Solidarisierung und der Einsatz bei der Bekämpfung von Homo- und Transphobie im eigenen Umfeld und der eigenen Gesellschaft sowie die Unterstützung von Organisationen weltweit sind daher nötig, um die Akzeptanz, Sicherheit und Möglichkeit zur freien Selbstentfaltung bzw. Partizipation für alle Menschen, an allen Orten zu ermöglichen, egal welchen Geschlechtes und welcher sexuellen Orientierung. 

Der Pride Month und die öffentliche Solidarisierung von Unternehmen 

Aufgrund des für die Entwicklung notwendigen Zusammenhalts und gemeinschaftlichen Engagements entwickelten sich die Pride-Events langsam zum Pride Month, welcher anlässlich der Ereignisse 1969 in den meisten Ländern der Welt im Juni stattfindet. Dieser Monat dient der weltweiten öffentlichen Solidarisierung, der Aufarbeitung der LGBTQIA+-Geschichte sowie der Forderung nach mehr Akzeptanz und Gleichberechtigung. Wo Privatpersonen häufig ihre öffentlichen Kanäle zur Solidarisierung und Aufklärung nutzen, sind Unternehmen wie so häufig nicht weit entfernt.  

       

Während dabei einige Unternehmen wie die “Kompania Piwowarsk” – die Brauerei hinter den beliebten Bieren “Tyskie” und “Lech”, die sich offen zur Finanzierung von Befürworter:innen “LGBT-freier Zonen” bekennt – Negativbeispiele darstellen, legen viele andere großen Wert darauf, in diesem Monat ein Statement zu setzen und sich klar zu positionieren. Zum diesjährigen CSD soll beispielsweise am Bundestag die LGBTQIA+-Fahne wehen. Andere Beispiele wären die unzähligen Veränderungen an Designs verschiedener Unternehmen oder die Nutzung ihrer Reichweite, um z. B. Anhänger:innen der Kultur in diesem Monat eine Bühne zu bieten. So hat “H&M” den Juni genutzt, um sich mit dem Thema LGBTQIA+-Identität und Familie auseinanderzusetzen. “Apple” stellte anlässlich des diesjährigen Pride Months unter anderem in Zusammenarbeit mit “Nike” ihre neuen regenbogenfarbenen “Apple Watch” Armbänder vor, welche dauerhaft erhältlich sein werden. Durch die dauerhafte Verfügbarkeit der Apple Watch Armbänder wird ein klein wenig Nachhaltigkeit erzeugt, da sich die Solidarisierung nicht lediglich auf den Juni begrenzt. Allerdings wird sich auch hier wieder recht plump, wenn auch ästhetisch anspruchsvoll, des Regenbogen-Themas bedient. Die optisch etwas subtiler gestalteten Erzählungen von H&M machen auf die bisherigen Fortschritte aufmerksam und stellen persönliche Erfolge dar. Hierbei lässt sich jedoch die Begrenzung auf einen Monat deutlich bemerken, weshalb die Firma $100.000 an die “UN Free & Equal campaign” spendet, welche ganzjährig für die Gleichberechtigung aller Menschen kämpft. “Levi’s” handelt ähnlich wie H&M, indem es neben seiner Pride Collection $100.000 an “OutRight Action International” spendet und somit ebenfalls konstantes Engagement unterstützt. Auch Nike hat sich mit den Erzählungen verschiedener queerer Athlet:innen und der Veröffentlichung einer neuen Kollektion, die ebenfalls etwas subtiler und weniger penetrant auftritt, klar positioniert, auch wenn bei diesem Unternehmen, wie auch bei Apple, nicht erkennbar wird, ob Erlöse der Produkte gespendet werden.         

Kritisiert wird hierbei neben der oft einmonatigen Kampagnen, dass Solidarisierung mehr als Charity und weniger als dauerhafte Einstellung betrachtet wird. Veränderung findet durch Austausch und eine darauf folgende Anpassung des Verhaltens, Handelns und Denkens statt und nicht ausschließlich durch das Stiften von Geld.     

Dabei gibt es auch auf anderen Ebenen Kritik zu üben. Denn es ist nicht selten, dass Unternehmen, die eigentlich nicht besonders viel mit der Szene und ihren Mitgliedern zu tun haben oder sich auch nicht konsistent für jene einsetzen, die Regenbogenfahne fast schon inflationär hissen, und das genau bis zum 30. Juni. Einige unterstellen den Unternehmen dabei berechnendes wirtschaftliches Kalkül und sehen die Veränderungen im Juni lediglich als eine Marketing-Strategie zur Generierung von Sympathie und Gewinnung weiterer potentieller Kund:innen. So verkauft “Vaseline” beispielsweise ein Produkt mit regenbogenfarbener Verpackung zum doppelten Preis. “Burger King” bringt mit dem “Pride Whopper” für einen begrenzten Monat einen Burger mit zwei gleichen Buns raus. Das “BMW” Logo wurde lediglich auf den Social Media Kanälen des westlichen Raums geändert. Fraglich ist dabei, wie viel sich die Marketingabteilungen solcher Unternehmen dabei denken und vor allem, wie sehr sie tatsächlich dahinter stehen, zumal sich die farblich angepassten Firmenlogos zum 01. Juli meist schlagartig wieder in die Normalfarben verwandeln und im Falle von Burger King nicht einmal von einer Kooperation mit einem Verein/Stiftung/NGO die Rede ist. Auch Verbände wie die “UEFA”, denen bereits häufiger Diskriminierungen unterstellt sowie die Zusammenarbeit mit und Nachgiebigkeit gegenüber intoleranten Staaten nachgewiesen wurde, schmückten sich in der Vergangenheit bereits mit der Rainbow-Flag. Diese Art der Solidarisierung lässt auf wenig nachhaltige Veränderung hoffen und stellt erneut, wie auch bei Black Lives Matter beispielsweise dar, dass oftmals öffentliche Reichweite für Image und Sympathie statt Haltung und Veränderung genutzt wird.         

Was uns beispielsweise von Autoherstellern, die sich mit ihrem besonderen, höchst ökologischen Auftrag brüsten, bereits als “Greenwashing” bekannt ist, findet in diesem Kontext unter der Bezeichnung “Pinkwashing” statt. Dieser Begriff benennt das oben beschriebene Phänomen, welches nicht bei allen, besonders nicht bei den Mitgliedern der Community, gut ankommt. Die Gründe hierfür liegen zum einen in der Begrenzung öffentlicher Solidarisierung auf den Juni und zum anderen in der “Heuchelei” einiger Unternehmen, die sich im Juni als äußerst LGBTQIA+-freundlich darstellen, allerdings das restliche Jahr nicht in diesem Sinne handeln. Dass die zeitliche Begrenzung der Bearbeitung eines Problems, das andauernd vorherrscht, keine nachhaltige Wirkung haben kann, sollte auf der Hand liegen. Daher wäre es wichtig, den Unternehmen die Frage zu stellen, wie sie sich denn außerhalb von Regenbogenflaggen und einem Monat Aktivismus für die LGBTQIA+-Community, besonders im eigenen Hause einsetzen. Auch sollte die Kommunikation mit der Community sowie die gelebte Gleichberechtigung im Vordergrund stehen. Ob hierfür die Vermarktung und Anpassung sowie die daraus folgende Mehrproduktion der firmeneigenen Produkte notwendig ist, bleibt dabei fraglich.  

Hier soll kein Vorwurf an die Solidarisierung im Pride Month bzw. kein Vorwurf an sämtliche Unternehmen stattfinden. Allerdings ist es wichtig, im Blick zu behalten, welche Auswirkungen das eigene Handeln haben kann und was für eine Verantwortung von uns allen getragen wird.              

Auch unsere Umgebung positioniert sich. So fand der Wiesbadener CSD dieses Jahr am 28. Mai statt und bestand aus einer Demo, einem Sommerfest und einer anschließenden Party. Er wurde in Kooperation mit dem “Schlachthof” vom gemeinnützigen Verein “Warmes Wiesbaden e. V.”, welcher sich seit über zehn Jahren für ein LGBTQIA+-freundliches Wiesbaden einsetzt, veranstaltet. Wer an Projekten oder Events des Vereins interessiert ist oder einfach mal am Stammtisch im 60/40 teilnehmen möchte, sollte definitiv deren Website auschecken! 

Foto Credit: Chiara Lessing

Bis dahin wünsche ich euch allen alles Gute, vielen Dank fürs Lesen!
Seid bitte lieb zueinander und hört euch gegenseitig zu, um euch verstehen und voneinander lernen zu können. 

Text von Edwin Piperek

PS: Für einen (sehr empfehlenswerten!) umfassenderen und tiefgreifenden Einblick in die Materie bietet sich ein Blick in die verwendeten Quellen an. 

Quellen:

Bundeszentrale für politische Bildung (2019). Die Geburtsstunde des “Gay Pride”.

CNN Editorial Research (2021). LGBTQ Rights Milestones [USA] Fast Facts. 

Kölner Stadtanzeiger (2022). “Pinkwashing”. So benutzen Unternehmen den Pride Month für Marketing.

Lesben- und Schwulenverband (2021). LGBT-Rechte weltweit: Wo droht Todesstrafe oder Gefängnis für Homosexualität?.

Muhr, Katharina, in Inside H&M (2022). Pride 2022: Meine Wahlfamilie.

Queer.de (2020). Mildes Urteil für geplanten Anschlag auf CSD in Lublin. 

Stuttgarter Zeitung (2022). Christopher Street Day. Regenbogenflagge soll am Reichstag wehen.

Wurzburger, Andrea, in People (2022). Everything You Need To Know About Pride Month. 

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